Thema des Monats Dezember 2020

Nobelmeile Kurfürstendamm

Flaniermeile Kudamm?

Sollte aus dem Kurfürstendamm ein attraktiver Boulevard werden? In den folgenden Beiträgen nehmen die Fraktionen der BVV zu dem Thema Stellung. Das Thema wurde von der SPD-Fraktion vorgegeben.

SPD-Fraktion

Der Kurfürstendamm ist derzeit nicht gerade ein Spitzen-Boulevard – sollte aber ein Aushängeschild für die City-West sein. Von anderen europäischen Metropolen können wir hier lernen. Die SPD fordert eine städtebauliche und darauf aufbauend eine verkehrliche Konzeptionzur Umgestaltung zu einem Boulevard mit Aufenthaltsqualität. In einem städtebaulichen Wettbewerb soll eine Neuaufteilung des öffentlichen Raums zugunsten vielfältiger Nutzungen (Einzelhandel, Gastronomie, öffentliche Sitzgelegenheiten, mehr Barrierefreiheit) entwickelt werden.

Damit es möglich wird, auf dem Kudamm Tempo 30 anzuordnen, soll er kurzfristig aus dem Hauptverkehrsstraßennetz entlassen werden. Auf Grundlage der städtebaulichen Konzeption ist dann ein Verkehrskonzept zu entwickeln, in Rahmen dessen auch längere Abschnitte des Kurfürstendamms für den Durchgangsverkehr gesperrt werden könnten, ohne dass es zu einer gesundheitsgefährden Erhöhung der Lärm- und Luftbelastung in den Parallelstraßen (z. B. Kantstraße) kommt. Wichtige Bausteine sind die Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung sowie ein Verkehrsleitsystem zur Nutzung der nicht ausgelasteten Parkhauskapazitäten. Der Kudamm wird für BVG-Busse, Taxis und Wirtschaftsverkehr geöffnet bleiben.

Dr. Jürgen Murach

CDU-Fraktion

Die Fragestellung ist bereits irreführend. Denn der Kudamm, wie wir Berliner ihn gerne nennen, ist bereits ein weltberühmter und hoch attraktiver Boulevard. Wo man Potentiale wecken kann ist diskutabel. Doch die Idee der SPD-Fraktion, den Kudamm autofrei umzubauen, ist schlichtweg geschäftsschädigend. Ein Blick in den Nachbarbezirk Mitte liefert den Beweis. Denn auch die ähnlich gestaltete Friedrichstraße ist zumindest temporär autofrei geworden. Die Folgen dessen spüren die Gewerbetreibenden durch hohe Umsatzeinbußen, so verzeichnet z. B. die Galerie Lafayette einen Kundenrückgang von 25-30 Prozent. Die dortige Anrainer-Vertretung beklagt, dass die Autofahrer nun durch Radfahrer ersetzt wurden und ein gemütliches Flanieren somit nicht möglich ist. Auch der Handelsverband kritisiert das Vorhaben scharf. Um den Hardenbergplatz herum sehen wir dagegen ein hohes städtebauliches Potenzial. Hierfür brauchen wir ein ausgewogenes und kluges Konzept, statt voreilig und ideologisch zu agieren, wie es die SPD den Grünen gleich tut. Die designierte SPD-Spitzenkandidatin verglich das Projekt autofreie Friedrichstraße mit einem „toten Pferd“, von welchem man absteigen sollte. Guter Rat, wie wir finden!

Simon Hertel

B‘90/Grünen-Fraktion

Der Kurfürstendamm ist das Aushängeschild der City West. Doch mit einem Weiter-so wird er nicht attraktiv bleiben. Die Läden büßen Umsatz ein, gerade in Zeiten von Corona bestellen mehr Menschen Waren online. Die Geschäfte können den Online-Handel nicht ignorieren und brauchen Angebote, die die Menschen zu ihnen führt. Dabei dürfen sie nicht allein gelassen werden. Sie brauchen die Unterstützung von Land und Bund, damit die Innenstädte attraktiv bleiben können. Zusammen mit Verbänden hat die Grüne Bundestagsfraktion Vorschläge zur Rettung der Innenstädte vorgestellt: https://gruenlink.de/1v5c. So bedarf es vom Bund eines Gewerbemietrechtes, dass zu hohe Mieten verhindert, damit die Geschäfte nicht zu stark belastet werden.

Der Kurfürstendamm und seine Seitenstraßen mit all ihren kleinen Läden müssen noch mehr zu einem Ort werden, wo Berliner*innen wie Touristen gern flanieren. So hätten wir uns beispielsweise den Lehniner Platz von Anfang an mit mehr Grün gewünscht.

Die meisten Kunden kommen mit Bahn und Bus zum Einkaufen. Als Madrid seine Innenstadt für Autos gesperrt hat, stiegen die Umsätze des Einzelhandels. Wir können uns den Kurfürstendamm ohne private Autos vorstellen und wollen das ausprobieren.

Dagmar Kempf und Alexander Kaas Elias

FDP-Fraktion

Das Herz der City-West schlägt am Kudamm und am Tauentzien. Nach wie vor sind sie die am höchsten frequentierte Shoppingmeile der Stadt Berlin. Charlottenburg-Wilmersdorf profitiert von der überregionalen Ausstrahlungskraft des Kudamms. Jedoch hat der Strukturwandel beim Einzelhandel auch Einfluss auf den Boulevard, das Internet ist zu einem Teil der Handelslandschaft geworden. Hierauf muss der stationäre Handel reagieren. Aufgabe des Bezirks ist es, für gute Rahmenbedingungen durch intakte Infrastruktur und ein freundliches Umfeld zu sorgen. Der Mix aus Einzelhandel, Filialisten, Gastronomie, Kultur usw. muss gehalten werden. Dies kann nur gelingen, wenn die Verweildauer der Kunden erhöht wird. Dabei ist zu gewährleisten, dass der Kudamm weiterhin zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Auto erreichbar bleibt. Auch muss R2G akzeptieren, dass Renovierungsbedarf der Infrastruktur vor Ort besteht. Während der Corona-Krise wird der Handlungsbedarf deutlicher. Der Einzelhandel und die Gastronomie kämpfen ums Überleben. Mit dem Ausbleiben der Touristen müssen sie diese Weihnachten von den Einwohnern (über)leben. Es ist unverständlich, dass R2G sich nicht für die auskömmliche Finanzierung der Weihnachtsbeleuchtung einsetzt, die Verlängerung der U-Bahn zum Rathenauplatz nicht angeht und für Gäste aus der Metropolregion keine ausreichenden Parkmöglichkeiten schafft. Jetzt muss gehandelt werden, um „Subventionsrettungen“ einzelner Unternehmen vorzubeugen. R2G hat es in der Hand – und das bereitet der FDP große Sorgen.

Johannes Heyne & Maximilian Rexrodt

AfD-Fraktion

Schon länger gibt es Überlegungen, den Kudamm attraktiver zu machen. Mit dabei die Grundstückseigentümer und die Standortgemeinschaft Business Improvement District Kudamm Tauentzien (BID). Man sucht den internationalen Vergleich mit Shoppingboulevards wie der Oxford Street in London, den Champs-Élysées oder den Las Ramblas in Barcelona. Der immer beliebtere Online-Handel bedrängt die Geschäfte. Deshalb wünscht man verbesserte Aufenthaltsqualität, mehr Kultur und Unterhaltung. Im Gespräch ist auch, den Kudamm autofrei zu machen. Als AfD-Fraktion sagen wir: Wir wollen den Autoverkehr nicht verbannen. Dies ist keine Erfolgsgarantie. Das Beispiel Wilmersdorfer Straße zeigt es. Nichts gegen Entlastung, z. B. durch eine Straßenbahn vom Wittenbergplatz nach Halensee. Oder mit Parkhäusern, am besten unterirdisch. Man kann Sicherheitsräume für Fußgänger schaffen sowie kleine Plätze als Übergänge zwischen dem befahrbaren Raum und dem nicht befahrbaren mit Bänken und Cafés. Das Projekt “Träume Deine Stadt” lud Menschen dazu ein, ihre Wünsche einzubringen. Gute Idee. Das Ganze sollte mit Hilfe erfahrener internationaler Experten umgesetzt werden, damit die erträumte Flaniermeile mit mehr Aufenthaltsqualität und höheren Umsätzen wirklich ein Erfolg wird.

Michael Seyfert

Linksfraktion

Könnte der Kurfürstendamm bald Begegnungszone werden? Viele Ideen zur Umgestaltung des Kudamms und der ihn umgebenden Kiezstraßen gibt es bereits und ist auch dringend notwendig, angesichts des erst kürzlich wieder so tragischen Unfalls, der durch Autoraser verursacht wurde. So müsste es aus unserer Sicht einen konsequenten Umbau durch Vorstreckungen von Gehwegen oder Modalfilter, die nur für Radfahrende und den Bus- und Wirtschaftsverkehr durchlässig sind, geben, um so den Durchgangsverkehr zu unterbinden. Der Bau der Tram sowie die Verlängerung der U-Bahn bis zum S-Bahn Ring müssen vorangetrieben werden. Zur Steigerung der Aufenthaltsqualität sollte der öffentliche Raum für Fußgänger*innen und Anwohnende mit Stadtmöbeln und Blumenrabatten ausgestaltet werden, um so auch die Attraktivität für die Gastronomiebetriebe und das Kleingewerbe zu steigern. Die Linksfraktion fordert, dass hier vor allem die vielen kleinen Einzelhandelsgeschäfte durch gezielte Fördermaßnahmen, beispielsweise Mietminderungen, unterstützt werden. Wichtig ist uns dabei eine breite und echte Beteiligung der Stadtgesellschaft, allem voran der Anwohnenden und der Gewerbetreibenden vor Ort, damit der Kurfürstendamm wieder zu einem Ort wird, an dem sich Menschen gerne aufhalten.

Sebastian Dieke