Thema des Monats August 2009

Erfolglose Kampagne gegen Wohnungsbordelle?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Nachdem der Salon Prestige mit seiner Klage gegen die Schließung durch das Bauamt Erfolg hatte, forderte die Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung das Bezirksamt auf, in diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Rechtsmittel zu verzichten und weitere bauordnungsrechtliche Nutzungsuntersagungen von Wohnungsbordellen grundsätzlich zu unterlassen. Sie sollen künftig nur nach erheblichen Beschwerden und einer ausführlichen Prüfung der konkreten Störungs- und Belästigungssituation vor Ort erfolgen. Die Berufungsfrist ist mittlerweile verstrichen.

SPD-Fraktion

Die Klage des Wohnungsbordells “Salon Prestige” in Halensee gegen die Versagung einer Sondernutzungserlaubnis durch das Bauamt von Bezirksstadtrat Gröhler (CDU) war erfolgreich: Nach eingehender Prüfung entschied das Verwaltungsgericht, dass Bordelle an sich nicht als störende Gewerbebetriebe eingestuft werden können und in einem Mischgebiet baurechtlich durchaus zulässig sind. Baustadtrat Gröhlers (CDU) moralinsauere Kampagne gegen Wohnungsbordelle im Allgemeinen ist damit gescheitert. Er hatte berlinweit Aufsehen erregt, weil er über sein Bauamt besonders restriktiv gegen diese Form der Prostitution vorgegangen war – zulasten der dort arbeitenden Frauen, die in Wohnungsbordellen meist bessere Arbeitsbedingungen vorfinden als in von dieser Schließungspolitik profitierenden Großbordellen. Aus SPD-Sicht bleibt zu hoffen, dass von dieser viel beachteten Entscheidung auch ein bundesweites Signal ausgehen wird!
Kai Lobo

CDU-Fraktion

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, die allein einen Einzelfall regelt, kann die CDU-Fraktion in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf in ihrer Ansicht nicht erschüttern, dass die Ausübung der Prostitution in Wohnungen, die sich in Mischgebieten, allgemeinen oder sogar reinen Wohngebieten befinden, unzulässig ist. Um diese Entscheidung des VG Berlin durch das OVG Berlin-Brandenburg überprüfen zu lassen, wäre eine Berufung zwingend notwendig gewesen. Aber leider hatte die mehrheitlich von Linken beherrschte Mehrheit in der BVV Angst davor, dass das OVG Berlin-Brandenburg die Entscheidung des VG Berlin aufheben könnte. Peinlicher geht es kaum noch!
Warum sollte im Übrigen Prostitution besser behandelt werden, als z. B. ein kleiner Handwerksbetrieb oder ein Versicherungsmakler? Da dieses nicht einzusehen ist, muss es dabei bleiben: Keine “Wohnungsbordelle” in Wohngebieten. Es steht nichts dagegen, wenn Prostituierte Ihre Bordelle in Gewerbegebieten ansiedeln. Dort stören sie niemanden und werden dabei genauso behandelt, wie jeder andere Gewerbebetrieb auch. Das übrigens nennt man Gerechtigkeit!
Stefan Häntsch

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Erfolglose Kampagne gegen Wohnungsbordelle? … so könnte das Statement des Baustadtrates Gröhler – auf den Punkt gebracht – lauten. Er hat sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert bei seinem moralischen Feldzug gegen seriös arbeitende Wohnungsbordelle – natürlich immer unter dem Deckmantel des Baurechts. Aber nun gibt es eine richterliche Entscheidung. Eine Richterin hat sich von der Vernunft leiten lassen und mit Weitblick ein Urteil gefällt. Sie hat sich Zeit genommen und die individuelle Lage vor Ort geprüft. Sie hat Anwohner und Anwohnerinnen zu Wort kommen lassen. Sie hat das getan, was die Mehrheit der BVV schon lange von Herrn Gröhler fordert – sie hat den Einzelfall geprüft!
Wir hoffen, dass nun auch unser Baustadtrat zur juristischen Vernunft zurück findet.
Ruth Vatter

FDP-Fraktion

Prostitution gilt als ältestes Gewerbe. Obwohl geächtet und zeitweilig illegal, wurde sie nie ausgerottet. Ächtung und Verdrängung haben nicht den Freiern, wohl aber den Prostituierten geschadet.
Der Gesetzgeber hat Prostitution als Beruf anerkannt. Sie darf nicht wieder in die Illegalität und zurück auf die Straße gedrängt werden.
Kleine Bordelle in Wohnhäusern stören die Bewohner häufig kaum, sie bieten aber den Prostituierten bessere Arbeitsbedingungen als die Straße und sind leichter kontrollierbar. Auch die wenigen Großbordelle in Gewerbegebieten sind nicht für alle Prostituierten eine Alternative.
Die Behörden tun gut daran, nur einzugreifen, wo erhebliche Störungen durch ein Bordell nachweisbar und für die Nachbarn unzumutbar, sind. Wir sind froh, dass nun auch das Verwaltungsgericht diese Auffassung teilt.
Wolfgang Weuthen

Fraktion Die Linke

Ganz ruhig bleiben! Prostitution gilt als Gewerbe – und das eigentlich schon sehr lange. In Deutschland erfolgte diese “Anerkennung” allerdings erst mit der Idee, daraus Vorteile für den Fiskus zu ziehen. Moralische Bedenken konnten im aufgeklärten Deutschland zurückgestellt werden – wegen des Steuersäckls.
Aber das Zurückstellen von moralischen Bedenken klappt eben nur bedingt. Und so wird Prostitution auch heute noch bekämpft, mit den unterschiedlichsten und teilweise abenteuerlich anmutenden Argumenten. Mittel zur Bekämpfung ist dabei nicht eine Offensive zur Veränderung gesellschaftlicher Realität, um dem ungeliebten Gewerbe der “käuflichen Liebe” die Basis, nämlich die wirtschaftliche Notwendigkeit, zu entziehen, sondern – man glaubt es kaum – das Baurecht.
Nun mag im Einzelfall fraglich sein, ob ein Bordell als “nichtstörendes Gewerbe” bewertet werden kann – aber eben nur im Einzelfall. Wer Gewerbesteuer einnehmen will, muss mit der Gewerbeausübung auch leben wollen (oder können).
Hans-Ulrich Riedel