Thema des Monats August 2018

Die Mobilität von morgen

Wie soll der Verkehr auf den Straßen Berlins künftig aussehen? Neue Verkehrskonzepte, Verbesserung der Infrastruktur und zuverlässigerer öffentlicher Nahvekehr? Die Fraktionen in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf nehmen in den folgenden Beiträgen zu diesem Thema Stellung.

SPD-Fraktion

Phantasien über technischen Fortschritt führen oft zur Illusion, dass Probleme des Verkehrs allein technisch lösbar sind. Vor 30 Jahren gab es bei Planern die Vorstellung, dass 2020 mit Magnet- und Kabinenbahnen sowie dem Transrapid die Verkehrsprobleme Berlins gelöst sind. Elektroautos werden zukünftig die Umweltbelastung reduzieren, aber nicht die Belastung unserer Straßen. Der Verkehr der Zukunft wird durch die Soziale Entwicklung bestimmt. Der Weg eines deregulierten Kapitalismus führt wie in den USA oder Brasilien zum Niedergang
des Schienenverkehrs, zur Gentrifizierung der Innenstädte mit unbezahlbaren Wohnungen und „No-Go-Areas“. Die SPD kämpft für die Soziale Stadt mit bezahlbaren ÖPNV und Wohnungen in kommunaler Hand. Zukunftsvorstellungen der SPD sind teilweise schon in der Schweiz oder in Wien verwirklicht: Ein integrierter Taktfahrplan zwischen ÖPNV und Bahn unter Nutzung der neuen Möglichkeiten der Digitalisierung – pünktlich auf Zeigersprung – mit dem auch das letzte Dorf in der Region ohne Pkw bis in die Nacht erreichbar ist, Transport von mehr Personen und Gütern auf der Schiene mit regenerativer Energie und Fuß- und Radwege mit hoher Verkehrssicherheit.
Dr. Jürgen Murach

CDU-Fraktion

Unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Luftqualität wird immer stärker über Fahrverbote für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor diskutiert. Unklar bleibt dabei oft, in welchem Maße diese zur Luftverschmutzung beitragen bzw. wie sich eine örtlich begrenzte Reduzierung dieser Fahrzeuge auf den innerstädtischen Raum auswirkt. Klar ist: Immer mehr Menschen zieht es in die Stadt und die allgemeine Verkehrsdichte steigt! Berlin braucht daher einen ganzheitlichen Masterplan Verkehr. Wir brauchen schnellstens eine eigenständige wissenschaftliche Verkehrszählung und verlässliche Angaben über die Ursachen der Schadstoffemissionen, denn ohne den Status Quo wird man auch nicht die richtigen Entscheidungen für die Zukunft treffen. Verkehrspolitik ist kein politischer Glaubenskrieg und lässt sich nicht gegen die Bevölkerung durchsetzen. Es wird Zeit, dass auch Rot-Rot-Grün dies erkennt. Die CDU-Fraktionen werden die Beteiligung in den Bezirken sicherstellen, um Ideen zu sammeln und Akzeptanz herzustellen. Schließlich gilt es, Berlin als Stadt der kurzen Wege für alle Verkehrsarten attraktiv zu gestalten: egal, ob im Auto, Bus & Bahn oder auf dem Fahrrad – sicher und schnell auf allen Wegen.
Gerald Mattern

B‘90/Grünen-Fraktion

Eine Revolution steht im Bereich der Mobilität an, die mit Elektrofahrzeugen gerade beginnt. Autonomes Fahren und der Wandel vom eigenen Fahrzeug zum Kauf von mobilen Dienstleistungen wird das Bild des Bezirks verändern. Weniger Parkplätze werden benötigt, dafür mehr Busse und Bahnen sowie eine gute Infrastruktur für Radfahrende und Fußgänger*innen. Am Ende kann beispielsweise eine App stehen, die anzeigt, wie mensch mit dem Umweltverbund und Bike- und Car Sharing schnell ans Ziel kommt. Lieferverkehr wird auf den letzten Kilometern ökologischer durch (Elektro-)Lastenräder. LKWs werden mit Abbiegeassistenten ausgerüstet um schreckliche Unfälle, wie sie in letzter Zeit passiert sind, zu verhindern. Mit dem ersten Teil des Mobilitätsgesetzes hat Berlin gut begonnen und den Weg frei gemacht für bessere Radinfrastruktur und besseren ÖPNV. Ein weiterer Teil wird folgen für den Lieferverkehr und zu Fuß Gehende. Für ältere Autobesitzer*innen wird es eine große Umstellung, aber viele Berliner*innen haben gar kein Auto und immer mehr jüngere Menschen machen erst garkeinen Führerschein. Der Verkehr von Morgen wird gesünder sein, leiser und sauberer.
Alexander Kaas Elias/Ansgar Gusy

FDP-Fraktion

Wer den Verkehr der Zukunft gestalten will, muss sich vergewissern, dass es unterschiedliche Bedürfnisse und Ansprüche an Mobilität gibt. Wir wollen ein bezahlbares und flexibles Verkehrsangebot für alle Verkehrsteilnehmer sichern und dafür sorgen, dass gegenseitige Behinderungen von Autofahrern, ÖPNV, Fahrradverkehr und Fußgängern minimiert werden. Die einseitige Förderung oder Benachteiligung eines Verkehrsmittels lehnen wir ab. Im Fokus muss der Ausbau eines leistungsfähigen ÖPNV, aber auch der Erhalt und die Weiterentwicklung der Infrastruktur für PKW, Fahrrad und Fußgänger stehen. Gerade in sehr eng verdichteten Stadtgebieten wie Charlottenburg-Wilmersdorf kommt esdarauf an, Stadtraum effizient zu nutzen. Daher fordern wir neben mehr Tiefgaragen und einer teilweisen Überbauung der A100 auch digitale Lösungen bei der Parkplatzsuche, z. B. durch Parkleitsysteme. Auch die Öffnung von Supermarktparkplätzen in den Nachtstunden kann entlastend wirken. Es ist kurzsichtig zu glauben, dass der Verkehr der Zukunft nur auf dem Fahrrad oder nur auf dem PKW beruht. Statt sinnloser Tempo 30-Beschränkungen, wie auf der Kantstraße, setzten wir uns für die bauliche Weiterentwicklung des Verkehrsnetzes ein, die mit Mut allen Verkehrsteilnehmern gerecht werden kann.
Felix M. Recke

AfD-Fraktion

Wenn von den Grünen diese Frage gestellt wird, sollten mündige Bürger/innen aufhorchen. Gemeint ist der Verkehr in unserer Stadt. Zur seriösen Beantwortung gehört eine seriöse Faktenanalyse. Ein Bevölkerungszuzug von jährlich ca. 50.000 Menschen führt auch zum Zuwachs des motorisierten Verkehrs durch vermehrten Wirtschaftsverkehr wie Lieferanten-, Handwerkerfahrten oder Pendlerverkehr. Die Menschen in der wachsenden Stadt wollen versorgt sein und ältere Menschen oder Behinderte sind zur Aufrechterhaltung ihrer Mobilität ohnehin auf ihr Fahrzeug angewiesen. Diesen Fakten setzen grüne Ideologen ihr Dogma der autofeindlichen Stadt entgegen. Und da der sogenannte Mobilitätswandel nicht von allein kommen will, wird er kräftig herbeigeredet und durch autofeindliche Beschlüsse in der BVV von Charlottenburg-Wilmersdorf unterstützt. Jeder Straßenumbau, jede Sanierung eines Platzes geht einher mit der Vernichtung von Stellplätzen. Allein in diesem Jahr plant RotRotGrün, in unserem Bezirk ca. 550 Stellplätze zu beseitigen. Straßensperrungen und -verengungen tun ein Übriges, um den Autoverkehr zu drangsalieren. Wann wird man endlich begreifen, dass die Wirtschaftskraft unserer Stadt weder auf Fahrradkurieren, Pizzaboten oder Lastenfahrrädern beruht?
Hans Asbeck

DIE LINKE. Linksfraktion

Es ist Fakt: Berlin wächst und braucht ein zukunftsfähiges, nachhaltiges und vor allem ganzheitliches Verkehrskonzept, das alle Verkehrsteilnehmer*innen gleichwertig und emanzipativ beteiligt. Mit dem neuen Berliner Mobilitätsgesetz scheint dieser Ansatz erstmalig bundesweit gelungen. Damit rückt Berlin dem Ziel der klimaneutralen und verkehrssicheren Stadt näher. Bei der Gesetzesausarbeitung wurde auf eine breite Beteiligung unterschiedlicher Akteur*innen Wert gelegt. Konkret soll die Situation von Fahrradfahr*innen durch weiteren Ausbau des Radwegenetzes verbessert und Gefahrenknotenpunkten an Kreuzungen und Verkehrswegen durch geeignete Umbaumaßnahmen entschärft werden. Der ÖPNV wird weiter ausgebaut, erhält Taktverdichtungen und die Haltestellen sollen barrierefrei gestaltet sein, um der steigenden Nutzer*innenzahl gerecht zu werden. Niedrigere Ticketpreise sollen Menschen mit niedrigeren Einkommen entlasten und so die Teilhabe aller Nutzer*innen Gruppen stärken. Auch der Aspekt des zunehmenden Wirtschafts- und Lieferverkehrs muss intelligent weiterentwickelt (Nutzung von Lastenfahrrädern in den Kiezen) und der motorisierte Individualverkehr nachhaltiger (Carsharing, E-Mobilität) gestaltet werden.
Sebastian Dieke