Stolpersteine Duisburger Straße 8

Hausansicht Duisburger Str. 8

Diese Stolpersteine wurden* am 23. November 2021* verlegt und von Franziska und Simon Becker sowie Matthias Linnekugel gespendet.

Stolperstein Clara Baumgarten

HIER WOHNTE
CLARA
BAUMGARTEN
GEB. ROCHELSOHN
JG. 1882
DEPORTIERT 26.1.1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Clara Baumgarten, geb. Rochelson, kam am 10. Januar 1882 in Hohensalza in der damaligen preußischen Provinz Posen (heute Inowroclaw in der Woiwodschaft Kujawien-Pommern, Województwo Kujawsko-Pomorskie) zur Welt.

Das Ehepaar Baumgarten war sehr wohlhabend. Aus den Inventarlisten, die jüdische Menschen vor der Deportation anzufertigen hatten, geht hervor, dass das Vermögen aus Wertpapieren, Geschäfts- und Grundvermögen bestand. Auch die Wohnungseinrichtung – wertvolle Brücken und Gemälde, Hausrat, Kleidung wie Nerz- und Persianermäntel und Schmuck – wies auf sehr wertvollen Besitz hin. Die Baumgartens lebten also in mehr als großbürgerlichen „gediegenen” Verhältnissen.

Entsprechend hoch war ihre sog. „Judenvermögensabgabe”, die alle jüdischen Menschen deutscher Staatsangehörigkeit mit über 5000 RM Vermögen als „Sühneleistung” für die in der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 entstandenen Schäden zu leisten hatten. Besonders perfide an dieser Sondersteuer war, dass die Nazis in jener Nacht Synagogen, Geschäfte jüdischer Eigentümer etc. zerstörten – also die Schäden selbst angerichtet hatten. Die Höhe der „Judenvermögensabgabe” wurde auf 20% des Vermögens festgesetzt. Für das Ehepaar Baumgarten betrug sie 131.250 RM, die Clara und Theodor Baumgarten bezahlen mussten. Zudem mussten sie die „Reichsfluchtsteuer” in Höhe von 111.500 RM zahlen, eine Steuer, die zynischerweise von den Nationalsozialisten nicht nur für Emigranten, sondern auch vor einer Deportation erhoben wurde.

Nach 1938, als die meisten jüdischen Mitbürger ihren Beruf nicht mehr ausüben durften, wurde auch Theodor Baumgarten für einen Hungerlohn zu Zwangsarbeit verpflichtet – in der Firma „Georg Stritzke Mechanische Werkstatt“, Neue Schönhauser Straße 16 in Berlin-Mitte. Der Schmuck seiner Frau musste abgeliefert werden. Außerdem wurde das Ehepaar im August 1942 zwangsweise in die Bamberger Straße 5 in die aufgelöste Pension Hammerschmidt „umgesiedelt”. Wie üblich bei einem von den Nationalsozialisten angeordneten „Umzug” wurde der größte und wertvollste Teil der Wohnungseinrichtung in der Duisburger Straße 8 beschlagnahmt und veräußert.

In der Bamberger Straße 5 bewohnten Clara und Theodor Baumgarten zwei Zimmer in einer großen 8-Zimmerwohnung, die möglicherweise dem Ehepaar gehörte und von den Nationalsozialisten in eine sogenannte „Judenwohnung” umgewandelt war. In der Vermögenserklärung, welche vor einer Deportation abzugeben war, wurden 6 vermietete Zimmer, notdürftig für eine Person eingerichtet, aufgeführt.

Von der Bamberger Straße 5 wurde das Ehepaar im Januar 1943 von der Gestapo abgeholt und in das von den Nationalsozialisten als „Sammellager” missbrauchte jüdische Altersheim in der Gerlachstraße 18-21 verbracht. Von dort aus wurden sie am 26. Januar 1943 mit dem sogenannten „82. Alterstransport” zusammen mit weiteren 98 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern nach Theresienstadt deportiert. Am 28.Oktober 1944 wurden beide weiter in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt. Theodor Baumgarten wurde am 15. November 1944 ermordet. Von seiner Frau Clara ist kein genaues Todesdatum überliefert.

Das schon vorher beschlagnahmte gesamte Vermögen, der Grundbesitz und das noch verbliebene Wohnungsinventar wurden 1943 „zugunsten des Deutschen Reiches” eingezogen.

Recherche und Text: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen: – Volkszählung vom 17.5.1939 – Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam-Golm – Entschädigungsamt Berlin, Fehrbelliner Platz – Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1933-1945, Humboldt-Universität – Deportationsliste

Stolperstein Theodor Baumgarten

HIER WOHNTE
THEODOR
BAUMGARTEN
JG. 1872
DEPORTIERT 26.1.1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET 15.11.1944

Theodor Baumgarten und seine Ehefrau Clara lebten von 1937 bis Mitte 1942 in der Duisburger Straße 8.

Theodor Baumgarten wurde am 20. April 1872 in Berlin geboren und war bis Ende 1938 Inhaber eines bedeutenden Leihhauses und Bankgeschäftes.

Theodor Baumgarten
Leihhaus (Banken und Versicherungen)
Gegründet 1904, Liq.: 1939
Landsberger Strasse 66/67 (Mitte)

Stolperstein Wally Böhmer

HIER WOHNTE
WALLY BÖHMER
GEB. JABLONSKY
JG. 1894
DEPORTIERT 17.11.1941
KOWNO FORT IX
ERMORDET 25.11.1941

Wally Böhmer, geb. Jablonsky, wurde am 8. Januar 1894 in Berlinchen, Brandenburg, geboren. Sie und ihr zwei Jahre älterer Bruder Bruno waren die Kinder von Cilly und Hugo Jablonsky. Vermutlich zog die Mutter Cilly nach dem Tod ihres Ehemannes mit den Kindern nach Berlin in eine große Wohnung in der Duisburger Straße 8.

Wally Jablonsky heiratete den wohlhabenden Herrmann Böhmer aus Hamburg. Beide wohnten dort in einer mehrstöckigen, elegant und wertvoll eingerichteten Villa. Wally Böhmer verfügte über teuren Schmuck, Pelze und kostbare Möbel. Die Ehe blieb kinderlos und wurde 1926 geschieden.

Nach der Scheidung zog Wally Böhmer von Hamburg nach Berlin zu ihrer Mutter Cilly Jablonsky in deren 7-Zimmer-Wohnung in der Duisburger Straße 8. Sie richtete auch diese wunderschön und luxuriös, u.a. mit ihrem Besitz aus Hamburg, ein. So sind in den Akten z.B. ein Chippendale – Speisezimmer, ein Herrenzimmer mit Bibliothek, Ölgemälde, Meissener Porzellan, Silberbestecke usw. aufgelistet. Auch der Bruder Bruno lebte bis 1933 bei der Mutter. Ihm gelang wohl die Flucht nach England.

Ab 1933 führten Mutter und Tochter den Haushalt als Pension. Gleichzeitig war Wally Böhmer aber auch die Inhaberin eines Geschäftes, des „Afau”, „Alles für’s Auto” am Kurfürstendamm, welches führend im Westen Berlins war, wie eine Freundin berichtete.
Allerdings musste sie sich aufgrund einer Denunziation vom Geschäft zurückziehen und wurde in der Folge verhaftet.

Möglicherweise handelte es sich hierbei um eine sogenannte „Schutzhaft”, die seit 1933 von der Polizei ohne richterliche Kontrolle angeordnet werden konnte. Ein Vorlauf also, der mit der von den Nationalsozialisten betriebenen „Arisierung” des Geschäftes endete. Das Warenlager wurde – wie üblich – unter Wert verkauft.

Am 17. November 1941, ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter, wurde Wally Böhmer nach Kowno/Kaunas/Kauen (Litauen) in das Fort IX deportiert und dort ermordet. Im Entschädigungsverfahren galt sie als verschollen, und ihr Tod wurde fiktiv auf den 8. Mai 1945 festgesetzt, da seit der Deportation keine weiteren Nachrichten existierten. Das mag dem damaligen Forschungsstand geschuldet sein. In der Volkszählung von 1939 und im Gedenkbuch des Bundesarchivs ist hingegen das Datum ihrer Ermordung im Fort IX in Kowno am 25. November 1941 dokumentiert.

Recherche und Text: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Berliner Gedenkbuch der FU
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam Golm
- Entschädigungsamt Berlin, Fehrbelliner Platz
- Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1933-1945, Humboldt-Universität