Stolpersteine Kaiserdamm 105

kaiserdamm 105

Hauseingang Kaiserdamm 105

Diese Stolpersteine wurden am 7. Oktober 2022 verlegt und von der Stiftung KUNSTFORUM und der Berliner Volksbank gGmbH gespendet.

julius heskel

Stolperstein Julius Heskel

HIER WOHNTE
JULIUS HESKEL
JG.1868
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
12. MÄRZ 1942

Julius Heskel wurde am 8. Juni 1868 in Berlin geboren. Seine Eltern waren Abraham Albert Heskel und Ernestine Reinhardt. Julius hatte zwei jüngere Brüder:
  • Georg Heskel * 2. August 1869 – 12. Juni 1936
  • Leo Heskel * 19. Mai 1872 – 8. Juni 1940
    Am 29. März 1895 heiratete er Elisabeth Gertrud Petzall, die am 6. Dezember 1876 in Berlin geboren war.
    Julius und Elisabeth hatten drei Kinder:
  • Charlotte Lucie * 22. Dezember 1895 – 22. Oktober 1942 ermordet in Riga
  • Walter * 10. Dezember 1897 – ca. 1960 USA
  • Alice * 24. Juli 1900 – 1987 USA

Vor 1905 läßt sich der Wohnsitz von Julius Heskel und seiner Familie im Berliner Adressbuch nicht zweifelsfrei nachweisen. Ab 1905 findet man Julius Heskel mit Wohnung in der Nollendorfstraße 16 und auch seine Brüder Georg und Leo im Berliner Adressbuch.
Ab 1910 war für Julius Heskel und seine Familie die Nürnberger Straße 37/38 der langjährige Lebensmittelpunkt.
Julius Heskel war bis zum Ende seines aktiven Berufslebens – vermutlich 1922/23 – als Vertreter der „Nederlandschen Bankinstelling, s’Gravenhage“ ausgewiesen.
Im Ruhestand bezeichnete er sich als Bankagent bzw. Vertreter.
Das Ehepaar Julius und Elisabeth Heskel lebte bis 1933 in der Nürnberger Straße 37/38.
Ob die Wohnung in der Nürnberger Straße freiwillig oder gezwungenermaßen aufgegeben wurde, konnte nicht ganz nachvollzogen werden.
Einige Anhaltspunkte sprechen dafür, dass es keinen „geordneten Übergang“ in die Wohnung am Kaiserdamm 105 gab, die erst im Oktober 1936 bezogen wurde. Augenscheinlich musste das Ehepaar fast zwei Jahre in unterschiedlichen Unterkünften überbrücken.
So war Julius Heskel im Adressbuch von 1934 in der Düsseldorfer Straße 42 zu finden, 1935 in der Trabener Straße 24 im Grunewald. Beide Adressen lassen sich (Antoinette) Toni Philipp zuordnen, der langjährigen Eigentümerin des Hauses in der Trabener Straße 24. Vielleicht handelte es sich bei Toni und ihrem Ehemann Dr. Hans Walter Philipp um Freunde aus dem jüdischen Bekanntenkreis der Heskels. Toni und Dr. Hans Walter emigrierten vor 1939 nach Großbritannien.
Auf Karteikarten im Bestand des Arolsen-Archivs finden sich für Julius und für Elisabeth Heskel folgende Eintragungen, die ihre Unterkünfte vor ihrem Einzug in den Kaiserdamm 105 ausweisen: Demnach lebten sie vorübergehend in der Lietzenburger Straße 7, und ab 1. April 1936 in der Luciusstraße 12 bei Goldmann. Am 8. Oktober 1936 erfolgte dann der Einzug in die Wohnung am Kaiserdamm 105. Der Mietvertrag für die 2 ½-Zimmer-Wohnung am Kaiserdamm 105 wurde am 21. Juli 1936 abgeschlossen; ab 1937 war Julius Heskel, Rentier, unter dieser Anschrift im Berliner Adressbuch.
Am 17. Oktober 1937 verfasste Julius Heskel sein Testament, in dem er seine Ehefrau Elisabeth als Alleinerbin einsetzte. Er führte darin aus, dass seiner Ehefrau aus einem Hausverkauf noch Geld zustünde, sowie, dass seine Kinder mehr als ihre Pflichtteile vom Erbe bereits erhalten hätten.
Knapp fünf Jahre später, am 12. März 1942 nahm sich Julius Heskel das Leben.
Er vergiftete sich mit einer Überdosis Veronal, einem damals leicht zugänglichen Schlafmittel, um dem bevorstehenden Schicksal der Deportation zu entgehen. Seine jüdische Ehefrau Elisabeth blieb zurück. Julius Heskel wurde am 19. März 1942 auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt.
Zur Eröffnung des Testaments von Julius Heskel erschien laut Protokoll des Justizinspektors vom 24. März 1942 (Abschrift vom 10. Oktober 1944) „niemand“.
Im Juli 1942 bereiteten die Behörden die Deportation von Elisabeth Heskel vor:
Zunächst verfügte die Geheime Staatspolizei die die Einziehung des Vermögens „der Reichsfeindin“ Elisabeth Heskel. Sie musste die Wohnung verlassen und sich in der Sammelstelle im Jüdischen Altersheim in der Großen Hamburger Straße 26 einfinden. Unmittelbar danach wurde die Wohnung am 28. Juli 1942 geräumt und versiegelt.
Am 30. Juli 1942 wurde Elisabeth Gertrud Heskel ab Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt deportiert.
Am 26. September 1942 wurde sie von Theresienstadt nach Treblinka weiterdeportiert und ermordet.
Auf dem Grabstein von Julius Heskel im Friedhof Weissensee wird auch an das Schicksal seiner Frau Elisabeth gedacht: „Elisabeth Heskel, geb. Petzall, 6. Dezember 1876, gest. 1942 in Polen“.
Schicksal der Kinder von Julius und Elisabeth Heskel
Tochter Charlotte Lucie ( * 22. Dezember 1895) heiratete am 26. Juli 1920 den Kaufmann Julian Rothholz ( * 7. Januar 1886), der ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammte.
Julian hatte 1918 das Kurzwarengeschäft seines Vaters Isidor in Charlottenburg übernommen, das sich zuvor in der Sybelstraße 9 befand, und es in die Droysenstraße 4 verlegt.
Heskels Enkel Karl Heinz Paul wurde am 28. Mai 1921 in Berlin geboren.
Die Familie Rothholz wohnte bis 1922 in der Droysenstraße 4, und ab 1923 in der Mommsenstraße 61. Hier lebte sie bis 1933.
Ab 1934 wohnte die Familie in der Droysenstraße 12. Mit dieser Adresse wurden Julian und sein Sohn Karl Heinz Paul auch zur Volkszählung 1939 registriert. Charlotte lebte zu diesem Zeitpunkt in der Nassauischen Str. 47.
Laut Karteikarte im Arolsen Archiv war Charlotte Lucie mit letzter Unterkunft in der Wullenweber Straße 3 verzeichnet.
Am 19. Oktober 1942 wurde Charlotte Rothholz nach Riga deportiert, wo sie nach der Ankunft am 22. Oktober 1942 ermordet wurde.
Karl Heinz Paul hatte Kontakte zum antifaschistischen Widerstand um Herbert Baum. Im Dezember 1942 wurde er von der Gestapo verhaftet und kam in die Strafanstalt Plötzensee.
Am 4. Mai 1943 wurde mit dem Fallbeil hingerichtet.
Heskels Schwiegersohn Julian Rothholz , Charlottes Ehemann, war zuletzt im Adressbuch aus dem Jahr 1941 in der Droysenstr. 12 zu finden.
Am 1. März 1943 wurde Julian Rothholz mit dem 31. Osttransport in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Am 4. März 1943 wurde er ermordet.
In der langjährigen Wohnung der Familie in der Droysenstraße 12 wohnte 1939 ebenfalls Julians Mutter Hulda Rothholz, geb. Samuel (* 11. Januar 1866).
Hulda Rothholz wurde am 25. August 1942 nach Theresienstadt deportiert.
Auch Julians Schwester Edith Rothholz-Craupton (* 16. Juni 1882) lebte 1939 dort. Sie konnte (vermutlich nach Frankreich) fliehen und starb 1953 in Paris 1953.
Für Charlotte Rothholz wurde 2006 ein Stolperstein in der Nassauischen Straße 47 in Charlottenburg-Wilmersdorf verlegt.

Heskels Tochter Alice (* 24. Juli 1900) heiratete den Gynäkologen Dr. Albert Stahl (* 29. März 1899). Das Ehepaar wohnte in der Zähringer Straße 11. Der Sohn Rolf Helmut wurde am 29.Dezember 1926 geboren.
1932 zog die Familie nach Tegel, in die Berliner Straße 100. Hier führte Albert Stahl seine Praxis weiter, bis 1936 Wohnung und Praxis sich in der Dietrich-Eckard-Straße 2-4 befanden.
1938 emigrierte Dr. Albert Stahl mit seiner Ehefrau Alice und Sohn Rolf Helmut in die USA.
„Ralph Henry“ Stahl wurde ein renommierter Kernphysiker. Er arbeitete zunächst an der University of California Berkeley und ab 1956 für General Atomic Corp. in La Jolla (nahe San Diego) an der Entwicklung des Forschungsreaktors TRIGA. Dieser wurde in den folgenden Jahren in mehr als 65 verschiedenen Ausführungen weltweit (24 Länder in fünf Kontinenten, darunter auch 6 in Deutschland) installiert. Ralph Henry starb 2004.
Alice Stahl stellte 1958 mehrere Wiedergutmachungs- und Entschädigungsanträge für den Verlust von Wertpapieren, der Wohnungseinrichtung und Demütigungsmaßnahmen, die ihre Eltern erdulden mussten.
Alice Stahl verstarb am 18. September 1984 in San Diego, Kalifornien.

Heskels Sohn Walter (* 10. Dezember 1897) lebte nachweislich Jüdisches Adressbuch von 1929 und 1931 im Haushalt seines Onkels Georg und Franziska Heskel und deren Sohn Albert – seinem Cousin – in der Kurfürstenstr. 125a.
Walter heiratete Lotte Amanda Sliwinski (* 16. März 1898), ein Datum der Eheschließung ist nicht bekannt.
Bei der Volkszählung 1939 wurde Walter in der Kurfürstenstraße 10 registriert, für Lotte ist die Bachstraße 3 notiert.
Auf Karteikarten im Arolsen Archiv ist hinterlegt, dass Walter und Lotte Heskel am 19. August 1940 in der Brückenallee 10 zur Untermiete bei Straßburger, am 06.10.1942 in der Heilbronner Str. 3 bei Salomanson lebten. Außerdem kann man einer weiteren Karteikarte entnehmen, dass offenbar beide am 1.März 1943 verhaftet wurden. Weiterhin wurde unter dem Datumseintrag 8. November 1943 „von der Gestapo abgeholt“ vermerkt.
Tatsächlich konnten Walter und Lotte Heskel fliehen und untertauchen. Mit Hilfe vom Fluchthilfe-Netzwerk um Luise Meier in Berlin Grunewald und Josef Höfler in Singen (Hohentwiel) konnten Walter und Lotte Heskel am 17. April 1944 nach Hofen in der Schweiz entkommen.
Von dort konnten sie nach Ende des Krieges mit Hilfe der Familien von Alice und Albert Stahl sowie des Cousins Albert Heskel in die USA auswandern.
Walter starb vermutlich zwischen 1957 – 1961 in New York., Lotte nach 1961.

Schicksal der Brüder Georg und Leo von Julius Heskel Georg Heskel (* 2. August 1869) war mit Franziska Piorkowski (* 17. April 1870 ) verheiratet. Das Ehepaar hatte einen Sohn Albert, der am 14. September 1906 geboren wurde. Georg hatte sich mit einem Agenturgeschäft für feine Stoffe selbständig gemacht, mit dem er im Adressbuch 1900 in der Jerusalemer Straße 1 ausgewiesen war. 1905 stand er als „Vertreter auswärtiger Häuser“ mit Adresse in der Ritterstraße 65. 1910 war Georg Heskel Vertreter von Lamberz & Co., Köln, und Hri. Descours, Genthon & Co, Lyon. Ab 1914 war Georg mit Firma und Wohnung in der Kurfürstenstraße 125a zu finden. 1918 handelte er als Generalvertreter für die angegebenen Firmen, bezeichnete sich jedoch ab den 1920er- Jahren schlicht als „Handelsvertreter“. 1932 – nach 18 Jahren – mussten Georg und Franziska offenbar ihre Wohnung in der Kurfürstenstraße 125a verlassen.Von 1934 an ist Georg nicht mehr im Berliner Adressbuch zu finden. Die Entschädigungsbehörden ermittelten 1965 anlässlich der von ihrem Sohn Albert angestrengten Wiedergutmachungs- und Entschädigungsverfahren aus den Berliner Telefonbüchern, dass Georg Heskel 1932 und 1933 in der Holsteinischen Straße 24 gemeldet war. Danach musste das Ehepaar jedoch in ständig wechselnden Untermietsverhältnissen leben, die teilweise nur wenige Monate dauerten. Georg Heskel starb am 12. Juni 1936. Franziska Heskel, geb. Piorkowski, musste bis zu ihrer Deportation nach Theresienstadt mindestens acht Mal das Quartier wechseln. Auf Karteikarten im Bestand des Arolsen Archivs sind die letzten Adressen notiert:
  • Vermutlich nach der Räumung der Holsteinische Str. 24 zogen Georg und Franziska Hesken in die Wallotstraße 10 im Grunewald (bei Reiser (Moran) (schwer leserlich).
  • Am 14.6.1934 lebten sie in der Ludwigkirchstraße 9 bei Risch.
  • Nach Georg Heskels Tod 1936 kam seine Witwe Franziska am 1. März 1938 im Kurfürstendamm bei (unleserlich) unter,
    am 01.11.1938 in der Rosenheimer Straße 23,
  • am 17. Mai 1939 bei der Volkszählung lebte Franziska in der Regensburger Straße 17.
  • Auf einer weiteren Karteikarte des Arolsen Archivs ist notiert, dass Franziska Heskel in der Speyerer Straße 3 lebte, bevor sie
  • ab 2. Januar 1941 in der Emser Straße 19/29 bei Eckstein wohnte.
    Am 4. September 1942 wurde Franziska Heskel, geb. Piorkowski nach Theresienstadt deportiert.
    Auf der Karteikarte wurde vermerkt: „Theresienstadt, 57. Alterstransport vom 27.08. – 04.09., Ankunftsdatum 10. September“. Mit den Alterstransporten 51-57 (I/53 – I/59) wurden von Berlin, Anhalter Bahnhof, jeweils 100 Menschen – insgesamt 718 gelistete Personen – nach Theresienstadt deportiert. (siehe auch Gottwald/Schulle, S. 315-321).
    Albert, der Sohn von Georg und Franziska Heskel, war Kaufmann. Er war bei der Firma „Wohlwerth“ angestellt und lebte – laut Jüdisches Adressbuch – 1929 und 1931 in der Kurfürstenstr. 125a im Haushalt seiner Eltern.
    Albert heiratete Margarete (Grete) Sternheim (* 24. Januar 1903).
    Am 15. Mai 1933 emigrierte das junge Ehepaar nach Frankreich.
    Die Ehe blieb kinderlos, wie aus den Entschädigungsanträgen zu entnehmen ist, die Albert Heskel nach Kriegsende bei den deutschen Behörden stellte.
    Albert Heskel starb 1996 in Paris; seine Ehefrau Margarete war bereits 1971 verstorben.
    Leo Heskel (* 19. Mai 1872) war der jüngste Bruder von Julian Heskel und war von Beruf Bankkaufmann. Er blieb zeitlebens alleinstehend.
    Ab 1905 wohnte er für viele Jahre in der Freiligrathstraße 1. Im Adressbuch von 1914 ist er in der Kufsteiner Straße 7 zu finden.
    1918 war Leo Heskel „Bankprokurist“ und lebte bis 1934 am Hohenzollerndamm 6.
    Ab 1935 wohnte Leo Heskel in der Güntzelstraße 54.
    1937 verfasste Leo Heskel sein Testament und setzt als Erben ein:
  • seinen Neffen Albert Heskel *14. September 1906, (Flucht nach Paris)
  • seinen Neffen Walter Heskel *10. Dezember 1897, (Fluch nach USA, NY)
  • seine Nichte Alice Stahl * 24. Juli 1900, (Fluch nach USA, NY)
  • seinen Großneffen Heinz Rothholz (in Plötzensee „enthauptet“ am 31. März 1942)
    Am 8. Juni 1940 starb Leo Heskel in seiner Wohnung in der Güntzelstraße 54.

Für Charlotte Rothholz wurde 2006 ein Stolperstein in der Nassauischen Straße 47 in Charlottenburg-Wilmersdorf verlegt.
Wie man heute weiß, war dies vermutlich nicht ihr letzter freiwillig gewählter Wohnort.
Biografische Zusammenstellung:
Stiftung KUNSTFORUM der Berliner Volksbank gGmbH und Sabine Davids

elisabeth heskel

Stolperstein Elisabeth Heskel

HIER WOHNTE
ELISABETH HESKEL
GEB. PETZALL
JG.1876
DEPORTIERT 30.7.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Elisabeth Gertrud Petzall wurde am 6. Dezember 1876 in Berlin geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann Moritz Petzall (* 1839 – 1914) und Regine Cohn (* 1843 – 1909). Elisabeth hatte eine älter Schwester namens Margarete, die am 24. Januar 1875 zur Welt kam. Der Vater Moritz war 1880 in der Rosenthaler Str. 66 mit einer Putz- und Modehandlung ausgewiesen, offenbar hatte die Familie aber 1885 bereits eine Wohnung in der Rosenthaler Str. 11. 1890 bis 1896 befand sich das Geschäft in der Oranienburger Straße 32, während die Familie vermutlich weiter in der Rosenthaler Straße 11 wohnte. Ab 1897 war die Putz und Modehandlung von Elisabeths Vater Moritz Petzall in der Französischen Straße 63. 1897 war Elisabeths Mutter Regina bereits als Eigentümerin eines größeren Mietshauses in der Charlottenburger Marchstraße 23 im Adressbuch eingetragen. Daher war hier ab 1897 der langjährige Wohnsitz der Familie Petzall. 1903 war das Geschäft von Moritz Petzall offenbar nochmals umgezogen, da er nun die Adresse Jägerstr. 63 zu finden war. 1909 verstarb Elisabeths Mutter Regina. Der Vater Moritz war nun erstmals unter der Anschrift Marchstraße 23 als Rentier verzeichnet. Elisabeth heiratete mit knapp 20 Jahren den Bankkaufmann Julius Heskel (* 8. Juni 1868) am 29. März 1895. Elisabeth und Julius hatten drei Kinder :
  • Charlotte Lucie * 22.Dezember 1895 – 22. Oktober 1942
  • Walter * 10. Dezember 1897 – ca. 1960 USA
  • Alice * 24. Juli 1900 – 1987 USA

Vor 1905 lässt sich der Wohnsitz von Julius Heskel und seiner Familie im Berliner Adressbuch nicht zweifelsfrei nachweisen.
Ab 1905 findet man Julius Heskel mit Wohnung in der Nollendorfstraße 16.
Ab 1910 war für Elisabeth und ihre Familie die Nürnberger Straße 37/38 der langjährige Lebensmittelpunkt. Hier lebte das Ehepaar bis 1933.
Julius Heskel war bis zum Ende seines aktiven Berufslebens – vermutlich 1922/23 – als Vertreter der „Nederlandschen Bankinstelling, s’Gravenhage“ ausgewiesen.
Ob 1933 die Wohnung in der Nürnberger Straße freiwillig oder gezwungenermaßen aufgegeben wurde, konnte nicht ganz nachvollzogen werden.
Einige Anhaltspunkte sprechen dafür, dass es keinen „geordneten Übergang“ in die Wohnung am Kaiserdamm 105 gab, die erst im Oktober 1936 bezogen wurde.
Augenscheinlich musste das Ehepaar fast zwei Jahre in unterschiedlichen Unterkünften überbrücken.
So war Julius Heskel im Adressbuch von 1934 in der Düsseldorfer Straße 42 zu finden, 1935 in der Trabener Straße 24 im Grunewald. Beide Adressen lassen sich (Antoinette) Toni Philipp zuordnen, der langjährigen Eigentümerin des Hauses in der Trabener Straße 24. Vielleicht handelte es sich bei Toni und ihrem Ehemann Dr. Hans Walter Philipp um Freunde aus dem jüdischen Bekanntenkreis der Heskels. Toni und Dr. Hans Walter emigrierten vor 1939 nach Großbritannien.
Auf Karteikarten im Bestand des Arolsen-Archivs finden sich für Elisabeth und Julius Heskel folgende Eintragungen, die ihre weiteren Unterkünfte vor ihrem Einzug in den Kaiserdamm 105 ausweisen: Demnach lebten sie vorübergehend in der Lietzenburger Straße 7, und ab 1. April 1936 in der Luciusstraße 12 bei Goldmann.
Am 8. Oktober 1936 erfolgte dann der Einzug in die Wohnung am Kaiserdamm 105. Der Mietvertrag für die 2 ½-Zimmer-Wohnung am Kaiserdamm 105 wurde am 21.Juli 1936 abgeschlossen; ab 1937 war Julius Heskel, Rentier, unter dieser Anschrift im Berliner Adressbuch.
Im selben Jahr, am 17. Oktober 1937 verfasste Elisabeths Ehemann Julius Heskel sein Testament, in dem er Elisabeth als Alleinerbin einsetzte. Julius führte darin aus, dass Elisabeth aus dem Verkauf des von ihren Eltern geerbten Hauses in der Marchstraße 23 noch Geld zustünde, sowie, dass seine Kinder bereits zu Lebzeiten mehr als ihre Pflichtteile erhalten hätten:
„Für den Fall meines Todes fällt meiner Ehefrau Elisabeth, geborene Petzall, allein mein gesetzlicher Nachlass ohne jede Einschränkung zu: ihr schulde ich die bei der Verheiratung erhaltene Mitgift von Fünfzigtausend Mark….
….Im November 1921 verkaufte ich das meiner Frau gehörige Grundstück Marchstr. 23. Den Erlös …habe damals erhalten und schulde ihn noch jetzt meiner Ehefrau.“
Knapp fünf Jahre später, am 12. März 1942 nahm sich Elisabeths Ehemann Julius das Leben.
Er vergiftete sich mit einer Überdosis Veronal, einem damals leicht zugänglichen Schlafmittel, um dem bevorstehenden Schicksal der Deportation zu entgehen. Julius wurde auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee bestattet.
Im Juli 1942 bereiteten die Behörden die Deportation von Elisabeth Heskel vor:
Zunächst verfügte die Geheime Staatspolizei am 1. Juli 1942 die Einziehung des Vermögens „der Reichsfeindin“ Elisabeth Heskel. Sie musste die Wohnung verlassen und sich in der Sammelstelle im Jüdischen Altersheim in der Großen Hamburger Straße 26 einfinden. Unmittelbar danach wurde die hochwertige Wohnungseinrichtung zu Schleuderpreisen geschätzt, und am 28. Juli 1942 als „geräumt und versiegelt“ den Behörden gemeldet.
Am 30. Juli 1942 wurde Elisabeth Gertrud Heskel ab Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt deportiert.
Am 26. September 1942 wurde sie von Theresienstadt nach Treblinka weiterdeportiert und ermordet.

Schicksal der Kinder von Elisabeth und Julius Heskel
Tochter Charlotte Lucie ( * 22. Dezember 1895) heiratete am 26. Juli 1920 den Kaufmann Julian Rothholz ( * 7.Januar 1886), der ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammte.
Julian hatte 1918 das Kurzwarengeschäft seines Vaters Isidor in Charlottenburg übernommen, das sich zuvor in der Sybelstraße 9 befand, und es in die Droysenstraße 4 verlegt.
Heskels Enkel Karl Heinz Paul wurde am 28. Mai 1921 in Berlin geboren.
Die Familie Rothholz wohnte bis 1922 in der Droysenstraße 4, und ab 1923 in der Mommsenstraße 61. Hier lebte sie bis 1933.
Ab 1934 wohnte die Familie in der Droysenstraße 12. Mit dieser Adresse wurden Julian und sein Sohn Karl Heinz Paul auch zur Volkszählung 1939 registriert. Charlotte lebte zu diesem Zeitpunkt in der Nassauischen Straße 47.
Laut Karteikarte im Arolsen Archiv war Charlotte Lucie mit letzter Unterkunft in der Wullenweber Straße 3 verzeichnet.
Am 19. Oktober 1942 wurde Charlotte Rothholz nach Riga deportiert, wo sie nach der Ankunft am 22. Oktober 1942 ermordet wurde.
Karl Heinz Paul hatte Kontakte zum antifaschistischen Widerstand um Herbert Baum. Im Dezember 1942 wurde er von der Gestapo verhaftet und kam in die Strafanstalt Plötzensee.
Am 4. Mai 1943 wurde mit dem Fallbeil hingerichtet.
Heskels Schwiegersohn Julian Rothholz , Charlottes Ehemann, war zuletzt im Adressbuch aus dem Jahr 1941 in der Droysenstraße 12 zu finden.
Am 1. März 1943 wurde Julian Rothholz mit dem 31. Osttransport in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Am 4. März 1943 wurde er ermordet.
In der langjährigen Wohnung der Familie in der Droysenstraße 12 wohnte 1939 ebenfalls Julians Mutter Hulda Rothholz, geb. Samuel (* 11. Januar1866).
Hulda Rothholz wurde am 25.8.1942 nach Theresienstadt deportiert.
Auch Julians Schwester Edith Rothholz-Craupton (* 16. Juni 1882), lebte 1939 dort. Sie konnte (vermutlich nach Frankreich) fliehen und starb 1953 in Paris 1953.
Für Charlotte Rothholz wurde 2006 ein Stolperstein in der Nassauischen Straße 47 in Charlottenburg-Wilmersdorf verlegt.

Heskels Tochter Alice (* 24.Juli 1900) heiratete den Gynäkologen Dr. Albert Stahl (* 29. März 1899). Das Ehepaar wohnte in der Zähringer Str. 11. Der Sohn Rolf Helmut wurde am 29. Dezember 1926 geboren.
1932 zog die Familie nach Tegel, in die Berliner Straße 100. Hier führte Albert Stahl seine Praxis weiter, bis 1936 Wohnung und Praxis sich in der Dietrich-Eckard-Straße 2-4 befanden.
1938 emigrierte Dr. Albert Stahl mit seiner Ehefrau Alice und Sohn Rolf Helmut in die USA.
„Ralph Henry“ Stahl wurde ein renommierter Kernphysiker. Er arbeitete zunächst an der University of California Berkeley und ab 1956 für General Atomic Corp. in La Jolla (nahe San Diego) an der Entwicklung des Forschungsreaktors TRIGA. Dieser wurde in den folgenden Jahren in mehr als 65 verschiedenen Ausführungen weltweit (24 Länder in fünf Kontinenten, darunter auch 6 in Deutschland) installiert. Ralph Henry starb 2004.
Alice Stahl stellte 1958 mehrere Wiedergutmachungs- und Entschädigungsanträge für den Verlust von Wertpapieren, der Wohnungseinrichtung und Demütigungsmaßnahmen, die ihre Eltern erdulden mussten.
Alice Stahl verstarb am 18. September 1984 in San Diego, Kalifornien.

Heskels Sohn Walter (* 10. Dezember 1897) lebte nachweislich Jüdisches Adressbuch von 1929 und 1931 im Haushalt seines Onkels Georg und Franziska Heskel und deren Sohn Albert – seinem Cousin – in der Kurfürstenstraße 125 a.
Walter heiratete Lotte Amanda Sliwinski (* 16. März 1898), ein Datum der Eheschließung ist nicht bekannt.
Bei der Volkszählung 1939 wurde Walter in der Kurfürstenstraße 10 registriert, für Lotte ist die Bachstraße 3 notiert.
Auf Karteikarten im Arolsen Archiv ist hinterlegt, dass Walter und Lotte Heskel am 19. August 1940 in der Brückenallee 10 zur Untermiete bei Straßburger, am 06.10.1942 in der Heilbronner Straße 3 bei Salomanson lebten. Außerdem kann man einer weiteren Karteikarte entnehmen, dass offenbar beide am 1.März 1943 verhaftet wurden. Weiterhin wurde unter dem Datumseintrag 8. November 1943 „von der Gestapo abgeholt“ vermerkt.
Tatsächlich konnten Walter und Lotte Heskel fliehen und untertauchen. Mit Hilfe vom Fluchthilfe-Netzwerk um Luise Meier in Berlin Grunewald und Josef Höfler in Singen (Hohentwiel) konnten Walter und Lotte Heskel am 17. April 1944 nach Hofen in der Schweiz entkommen.
Von dort konnten sie nach Ende des Krieges mit Hilfe der Familien von Alice und Albert Stahl sowie des Cousins Albert Heskel in die USA auswandern.
Walter starb vermutlich zwischen 1957 – 1961 in New York., Lotte nach 1961.

Schicksal von Elisabeth Heskels Schwester Margarete

Margarete Petzall (* 24. Januar 1875) heiratete Leopold Hamburger (* 8. Februar 1862).
Leopold Hamburger war Fabrikbesitzer. Das Ehepaar wohnte im Grunewald, Jagowstraße 30. Die beiden mussten 1939 ihr Anwesen verlassen; Leopold hielt sich bei der Volkszählung offenbar in der Richard-Strauss Str. auf, Margarethe hingegen war in der Havelstraße 14 in Charlottenburg registriert.
Margarethes Ehemann Leopold starb am 4. Januar 1940 mit 78 Jahren. Über die Todesursache ist nichts näheres bekannt.
Wie lange Margarethe in der Havelstraße 14 lebte, ist nicht bekannt. Aus der im Bestand des Arolsen-Archives befindlichen Karteikarte geht lediglich ihr letzter Aufenthalt vor der Deportation hervor. Dies war in Charlottenburg in Alt Lietzow 42, bei Treubert.
Vermutlich am 9. Juli 1942 wurde Margarethe Hamburger mit einem der fünf Alterstransporte, die zwischen 6. bis 10.Juli 1942 von Berlin mit je 100 Menschen abgingen, nach Theresienstadt deportiert.
Am 19. September 1942 wurde Margarethe noch nach Treblinka deportiert und ermordet.

Biografische Zusammenstellung
Stiftung KUNSTFORUM der Berliner Volksbank gGmbH und Sabine Davids

jenny janower

Stolperstein Jenny Janower

HIER WOHNTE
JENNY JANOWER
GEB. STENSCHEWSKI
JG.1886
DEPORTIERT 14.11.1941
MINSK
ERMORDET

Jenny Stenschewski wurde am 18. März 1886 in Rogasen geboren.
Ihre Eltern waren Gustav Stenschewski (* 08.02.1858 – ca. 1930) und Cerline, geborene Moses (* 01.12.1854 – 20.01.1936). Die Familie lebte in Lauenburg (heute in Polen), Stolperstr. 4.
Jenny hatte einen vier Jahre älteren Bruder Max, der am 20.12.1882 in Lauenburg geboren wurde.

Der Beruf des Vaters Gustav, der im Ersten Weltkrieg 1917 „schwer verwundet“ worden war, wird im Adressverzeichnis von Lauenburg aus dem Jahr 1929 als Gastwirt angegeben, ihre Mutter Cerline als Hebamme geführt.

Jenny heiratete Julius Janower, geboren 1884, aus Berlin, wo das Paar fortan lebte. Die Ehe blieb kinderlos.
Vielleicht kam die Ehe über geschäftliche Beziehungen zwischen Jennys Bruder Max Stenschewski und Familie Janower zustande. Julius Janower war gemeinsam mit seinem Vater Bernhard Mitinhaber einer Herrenkleiderfabrik, die ihren Sitz in der Neuen Friedrichstr. 35 hatte. Für Bernhard (1847- ca 1920) und Fanny Janower, geborene Spiro ( 1853 – 30.12.1923) war der Firmensitz in der Neuen Friedrichstr. 35 auch der Wohnsitz. Dort lebten außerdem ihre Tochter Hedwig (*22.9.1886) und ihr Schwiegersohn Hermann Eisner (*1884 – 1934).
Max Stenschewski führte seit 1913 in Lauenburg, Stolperstr. 4 ein Manufakturwaren Geschäft für Herrenausstattungen.
Max starb am 13.05.1925 mit 42 Jahren in Lauenburg. Sein Geschäft wurde von den Brüdern Hugo und Alexander Prinz mit dem Zusatz „i.Fa. Stenschewski“ weiter betrieben. So wurde es noch 1934 im Adressbuch von Lauenburg ausgezeichnet. Allerdings emigrierte Hugo Prinz und lebte 1976 nachweislich in Montevideo. Sein Bruder Alexander Prinz wurde zum 30.06.1943 für tot erklärt.
Julius Janower führte eine Dependance des Geschäfts seines Schwagers Max Stenschewski in Berlin Tiergarten (heute Mitte) in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Str. 57. Im Berliner Adressbuch von 1928 ist es als „Herrenkleiderfabrik“ ausgewiesen.
Das Ehepaar Jenny und Julius Janower hatte seinen Wohnsitz ab 1923 bis 1927 in Berlin-Waidmannslust, wo Julius Janower als Eigentümer einer Immobilie in der Kurhausstr. 6 im Adressbuch eingetragen war.
Am 19.05.1928 starb Julius Janower mit 44 Jahren im Krankenhaus der jüdischen Gemeinde. Auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin Weißensee wurde er in einem Erbbegräbnis 3843, Gräberfeld E beigesetzt.
Bernhard Janower übertrug 1928 seinem Schwiegersohn Hermann Eisner die Inhaberschaft für die Herrenkleiderfabrik.
Die Witwe Jenny verließ die Wohnung in Waidmannslust und wohnte in Berlin-Mitte in der Kaiser-Wilhelm-Str. 57; im Jüdischen Adressbuch von 1929/30 war Jenny Janower unter dieser Anschrift verzeichnet.
Nachdem Jenny Janowers Mutter Cerline Stenschewski verwitwet war, verlies sie Lauenburg und ging zu ihrer verwitweten Tochter nach Berlin.
Mutter und Tochter erwarben 1933 als gemeinsame Eigentümerinnen ein Haus in Frohnau, Barbarossakorso 10 a. Das Grundstück war von dem langjährigen Besitzer E. Keller offenbar geteilt worden, der weiterhin Eigentümer des Grundstückes Barbarossakorso 10 blieb. 1938 wurde die Straße in „Welfenallee“ umbenannt, wobei sich auch die Nummerierung änderte. Das Janower-Grundstück wurde nunmehr unter Welfenallee 30 geführt.
Mutter und Tochter lebten dort bis zum Tod von Cerline Stenschewski am 20.01.1936. Cerline Stenschewski wurde neben ihrem Schwiegersohn Julius Janower beigesetzt. Jenny Janower ließ auch die sterblichen Überreste ihres Bruders Max am 24.03.1936 aus Lauenburg in das Erbbegräbnis nach Weißensee überführen.
Nach dem Tod ihrer Mutter Cerline versuchte Jenny Janower bereits 1936, das Haus Barbarossakorso 10 a (Welfenallee 30) zu verkaufen. Aus den Wiedergutmachungs- und Entschädigungsakten geht hervor, dass mit Landgerichtsdirektor Dr. Spillner entsprechende Verhandlungen geführt wurden. Da Jenny jedoch fürchtete, die Kaufsumme nicht sicher anlegen zu können, kam der Verkauf nicht zustande. Stattdessen kam am 10. Juni 1936 ein Mietvertrag mit Dr. Spillner zustande.
Jenny Janower war zu diesem Zeitpunkt nach Charlottenburg umgezogen und wohnte Kaiserdamm 100. Für das Grundstück Barbarossakorso 10 a war sie noch 1937 im Berliner Adressbuch als Eigentümerin des eingetragen. Dr. Otto Spillner war als Mieter ausgewiesen. Obwohl er dies – nachweislich der Akten – stets geblieben war, wurde Dr. Spillner dennoch ab 1938 als Eigentümer im Adressbuch geführt.
Im Mai 1939 – zum Zeitpunkt der Volkzählung – hatte Jenny Janower ihre Wohnung Kaiserdamm 100 aufgegeben und war Untermieterin bei Ehepaar Buchsbaum, Kaiserdamm 105. Dort bewohnte sie zwei Zimmer der fünfeinhalb Zimmer großen Wohnung im vierten Stock.
Am 15. Oktober 1941 wurde das Vermögen von Jenny Janower durch Verfügung der Geheimen Staatspolizei zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Dies betraf insbesondere das Grundstück in Frohnau, Welfenallee 30.
Am 7. November 1941 musste Jenny Janower die Vermögenserklärung ausfüllen. Darin gab sie an, das Haus in der Welfenallee 30 zu einem „Einheitswert“ von 33.800 Reichsmark zu besitzen, das „unverschuldet“ – also nicht von Hypotheken belastet – sei, sowie über ein Sicherungskonto bei der Deutschen Bank und Reichsschatzanweisungen zu verfügen. Da befand sie sich bereits in der Sammelstelle in der Levetzowstr. 8.
Bereits am 12. November 1941 wurden die beiden von ihr bewohnten Zimmer weitervermietet an Franziska Marcks, die ebenfalls jüdischer Herkunft war.
Am 13. November wurde ihr der Deportationsbescheid in der Sammelstelle Levetzowstr. 8 „persönlich übergeben“.
Am 14. November 1941 wurde Jenny vom Bahnhof Grunewald nach Minsk deportiert und ermordet. Mit ihr fuhren weitere 1000 Menschen in den Tod.

Jenny Janower, geborene Stenschewski, hatte weit über 50 Familienangehörige, die alle aus dem Raum Posen stammten – der größte Teil ihrer Kusinen und Kusens lebte in Berlin. Eine Kusine emigrierte rechtzeitig in die USA, ein weiterer Kusin nach Palästina – nur ein Sohn eines Kusins überlebte Auschwitz. Über 50 Familienangehörige wurden ermordet.
Stolpersteine für Angehörige der Großfamilie Stenschewski liegen in Berlin-Weißensee und Berlin-Steglitz, sowie in Cottbus.

Biografische Zusammenstellung
Sabine Davids

HIER WOHNTE
EMILIE
BUCHSBAUM
GEB. WEIRAUCH
JG. 1883
AUSGEGRENZT / DRANGSALIERT
ÜBERLEBT

Emilie Weirauch wurde am 21. Mai 1883 in Wilkau, Schlesien geboren. Ihr Vater war der Mühlenbesitzer Carl Weirauch. Die Familie war evangelisch. Emilie hatte zwei Schwestern:
  • Auguste, verh. Eppstein
  • Emma, verh. Meyer

1911 heiratete Emilie in Berlin den am 1. Juli 1876 geborenen Albert Buchsbaum. Die Ehe blieb kinderlos.
Emilie beschrieb in ihrem Entschädigungsantrag ihren Werdegang so:
„….Bin am 21. Mai 1883 als Tochter des Mühlenbesitzers Carl Weirauch zu Wilkau, Kreis Namslau, Schlesien geboren. Erwachsen kam ich mit meinen Eltern nach Berlin und wurde bei Verwandten im Hause beschäftigt. Bin selbst evangelisch. 1911 ging ich mit meinem Mann Albert Buchsbaum (mosaisch) die Ehe ein, dieselbe war sehr glücklich und wir lebten in sehr geordneten Verhältnissen…“
Emilie und Albert Buchsbaum wohnten in der Allensteiner Straße 39 im 2. Stock. Ihr Ehemann Albert war bei der renommierten Textilhandelsfirma Gebrüder Simon in der Klosterstraße 80/81 angestellt, wo er sehr gut verdiente.

Das Ehepaar hatte stets eine enge Beziehung zu Alberts Bruder Heinrich (* 29. März 1878 in Naumburg), der mit Georg Leyser eine Herrenkleiderfabrikation in der Wallstraße 10 führte.
1917 zog auch Emilies Schwager Heinrich in die Allensteiner Straße 29, zunächst in eine Wohnung im Gartenhaus, später ins Vorderhaus 4. Stock.
1926 mieteten die Brüder Albert und Heinrich gemeinsam eine großzügige 5-Zimmer-Wohnung im vierten Stock in der Wittelsbacher Straße 25 in Wilmersdorf an. Ab 1927 waren sie gemeinsam im Adressbuch eingetragen.
Über ihr Leben in den 1920-er Jahren schrieb Elfriede:
„.Mein Ehemann Albert Buchsbaum stieg bei der Firma Gebr. Simon bis zum Abteilungsleiter auf und hatte ein sehr gutes Einkommen. Es war immer genügend Geld vorhanden, um ein sorgloses Leben zu führen. Wir hatten bis zum Jahr 1932 in Berlin-Wilmersdorf, Wittelsbacher Str. 25 eine 5 Zimmerwohnung….. Wir unterhielten ständig eine Hausangestellte und mein Ehemann und ich machten jedes Jahr eine Reise, die uns nach Marienbad, Karlsbad, Norderney, nach Binz und Göhren führte.“

Zu Beginn der 1930er- Jahre wendete sich jedoch das Blatt: Zunächst forderte der Vermieter der Wohnung in der Wittelsbacher Straße 25 eine um 33 Prozent erhöhte Miete. Albert, Emilie und Heinrich Buchsbaum kündigten und fanden am Kaiserdamm 105 ein vergleichbares Domizil zum bisherigen Mietpreis:
„..Als der Hauswirt …die Miete im Jahre 1932 von 180,- auf 240,- Reichsmark steigerte, suchten wir uns eine andere Wohnung, und zwar wiederum 5 ½ Zimmer am Kaiserdamm 105…..für diese Wohnung zahlten wir bis zu unserer Entmietung im Jahre 1942 monatlich 180,- Reichsmark Miete.“
1934 oder 1935 wurde Albert Buchsbaum von der Firma Gebr. Simon gekündigt. Nach einer Übergangszeit als freier Mitarbeiter verlor Albert spätestens 1937 endgültig seine Arbeit, da in diesem Jahr die jüdische Firma Gebrüder Simon Textil AG verkauft und arisiert wurde.
Nachdem der Geschäftspartner Georg Leyser von Heinrich Buchsbaum 1934/1935 emigriert war, führte Heinrich von der Wohnung am Kaiserdamm aus die Herrenbekleidungsfabrikation aufrecht zu erhalten. Allerdings kamen bald keine Aufträge mehr herein, da Geschäfte mit Juden verboten waren.
Fortan lebten die Buchsbaums von ihren Ersparnissen. Zwei Räume der 5-Zimmer-Wohnung wurden 1938 an Jenny Janower, geb. Stenschewski untervermietet. Doch es kam noch schlimmer, wie Emilie in ihrem Entschädigungsantrag schilderte:
„…Durch meine Ehe mit einem Volljuden im Sinne der damaligen Nürnberger Rassegesetze war ich von Anbeginn der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten allen nur erdenklichen Schikanen und Drangsalierungen seitens der NS-Dienststellen und der nationalsozialistisch gesonnen Bevölkerung ausgesetzt…..
….Vom ersten Tage der Verordnung, dass Juden den „Judenstern“ tragen mussten, war mein Ehemann ebenfalls davon betroffen. Ich darf mir nun die Schilderung der ständigen Demütigungen und nazistischen Rüpeleien ersparen, die sofort gegen uns einsetzten…..
….Eine ganz besondere Härte setzte gegen uns ein, als mein Ehemann die „Judenlebensmittelkarten“ erhielt. Selbstverständlich teilte ich mit meinem Ehemann die mir zustehenden Rationen….“
Man kann davon ausgehen, dass Emilie ihre Lebensmittelrationen – die auch für die „deutsche“ Bevölkerung im Laufe des Krieges immer mehr eingeschränkt wurden – mit Alberts Bruder Heinrich ebenfalls teilte.
Die „privilegierte Ehe“ schützte Emilies Ehemann Albert zwar vor der Deportation – aber dennoch wurde er mehrfach von der Gestapo abgeholt und verhört. Es gab Durchsuchungen der Wohnung. Das Ehepaar lebte in beständiger Angst und Ungewissheit. Im Juli 1941 machten die Eheleute ihr gemeinsames Testament, in dem sie sich gegenseitig zum Alleinerben bestimmten. Auch Heinrich verfügte seinen Letzten Willen im Oktober 1941 und setzte seinen Bruder Albert zum Alleinerben ein.
Im November 1941 erlebten die Buchsbaums, dass ihre Untermieterin Jenny Janower sich in die Sammelstelle in der Levetzowstr. begeben musste. Von dort wurde sie am 14. November 1941 nach Minsk deportiert und ermordet.
In die von Jenny Janower bewohnten Zimmer wurde bereits am 12. November 1941 Franziska Marcks, geb. Grünwald (* 20. März 1882) eingewiesen, die ebenfalls jüdischer Herkunft war. Franziska Marcks war 1939 bei der Volkszählung in der Güntzelstr. 17/18 registriert worden.
Als 1942 ein Obersturmbandführer der SS die große Wohnung der Buchsbaums am Kaiserdamm für sich beanspruchte, wurden Emilie, Albert und Heinrich in eine kleinere Wohnung in der Grolmanstraße 51 eingewiesen. Auch Franziska Marcks wurde dort bei Buchsbaums einquartiert.
Wenige Monate später, am 14. Dezember 1942, wurde Heinrich Buchsbaum nach Auschwitz deportiert und sofort ermordet. Einen Monat später, am 29.Januar 1943, wurde Franziska Marcks – nachweislich der im Bestand des Arolsen Archivs befindlichen Karteikarte – mit dem 27. Osttransport nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Emilie und Albert überlebten den Faschismus. Aber beide trugen massive gesundheitliche Schäden davon: Herzbeschwerden, beständige Nervosität, Schwindel, Schlaflosigkeit.
Am 18. März 1948 verstarb Albert Buchsbaum.
Emilie Buchsbaum, geb. Weirauch wurde als Verfolgte des Faschismus und als Rassenverfolgte von den Behörden anerkannt. Sie starb 1961.

Aufgrund neuerer Recherchen ist nun klar, dass der Mädchenname von Emilie Weirauch war. Der Stolperstein trägt die falsche Schreibweise Weihrauch.

Biografische Zusammenstellung:
Stiftung KUNSTFORUM der Berliner Volksbank gGmbH und Sabine Davids

albert buchsbaum

Stolperstein Albert Buchsbaum

HIER WOHNTE
ALBERT
BUCHSBAUM
JG. 1876
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
ÜBERLEBT

Albert Buchsbaum wurde am 1. Juli 1876 in Naumburg an der Saale geboren. Seine Eltern waren Salomon Buchsbaum und Ida, geb. Rosenthal. Aus dem Erbschein seiner Ehefrau Emilie Buchsbaum, geborene Weirauch, geht hervor, dass er drei Brüder hatte, die alle in Naumburg an der Saale geboren wurden:
  • Max * 1874 ? Auswanderung in die USA
  • Heinrich * 29. März 1878 deportiert 14. Dezember 1942 nach Auschwitz
  • Bruno * 4. Dezember 1880 1939 Emigration in die USA

Etwa 1884/5 ging die Familie nach Berlin. 1886 war Salomon Buchsbaum erstmals im Berliner Adressbuch in der Flensburger Str. 15 zu finden.
Albert war von Beruf Kaufmann.
Etwa 1894 erhielt er bei der renommierten Textilhandelsfirma Gebrüder Simon in der Klosterstraße 80/81 eine Anstellung. Juniorchef dieser Firma war Henry James Simon, der berühmte Mäzen und Kunstsammler, der die Gelder zum Erwerb der Nofretete Büste gestiftet hatte. James Simon übernahm 1890 die Textilhandelsfirma Gebrüder Simon in der Klosterstraße 80/81 von seinem Vater. 1929 war er Seniorchef des Textilgroßhandels und gehörte dem Aufsichtsrat der Gebrüder Simon-Vereinigte Textilwerke AG an.
Albert Buchsbaums Eltern Salomon und Ida lebten ab 1905 mit ihren Söhnen in der Neuen Königstraße 76. Salomon Buchsbaum starb vermutlich im Jahr 1905, da in den Folgejahren nicht er, sondern seine Witwe Ida im Adressbuch eingetragen war. 1911 standen sowohl Ida als auch ihre Söhne Albert und Heinrich gemeinsam im Berliner Adressbuch in der Neue Königstraße 76.
1911 heiratete Albert Buchsbaum die Emilie Weirauch, geboren am 21. Mai 1883 in Wilkau, Schlesien. Emilie war evangelisch. Die Ehe blieb kinderlos.
Die Wohngemeinschaft der Brüder mit der Mutter löste sich auf: Heinrich wohnte fortan in der Esmarchstraße 22. Hier war er bis 1915 gemeldet.
Albert und Emilie Buchsbaum hatten ihre Wohnung in der Allensteiner Straße 39 im 2. Stock. Ab 1917 wohnten die Brüder Albert und Heinrich wieder nah beieinander: Heinrich zog in der Allensteiner Straße 39 in das Gartenhaus, 1919 zog Heinrich dann ins Vorderhaus in den 4. Stock.
Albert war beruflich erfolgreich und verdiente gut: In der Textilhandelsfirma Gebr. Simon stieg er im Laufe der Jahre zum Abteilungsleiter auf.
1926 mieteten die Brüder Albert und Heinrich gemeinsam in der Wittelsbacher Straße 25 in Wilmersdorf eine großzügige 5-Zimmer-Wohnung im vierten Stock an. Ab 1927 waren sie im Adressbuch eingetragen.
1932 sollte die Miete radikal erhöht werden, weshalb die Buchsbaums die Wohnung kündigten und 1933 in eine ebenso große Wohnung am repräsentativen Kaiserdamm 105 umzogen.
Nachdem am 1. April 1933 der staatliche Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte mit massiven Übergriffen gegen Juden und ihre wirtschaftliche Existenz einherging, war Heinrichs Geschäftspartner Georg Leyser emigriert. Heinrich nutzte daher spätestens ab 1934 einen Raum in der Wohnung, um seine Herrenbekleidungsfirma fortzuführen; allerdings gab es immer weniger Kunden, und Heinrich lebte schließlich von seinen Ersparnissen.
Auch Albert verlor seine Anstellung: 1935 wurde er aus rassistischen Gründen gekündigt, arbeitete jedoch als Selbständiger noch ein bis zwei Jahre für die Gebr. Simon weiter. 1937 wurde die jüdische Textilhandelsfirma Geb. Simon, seit 1929 eine Aktiengesellschaft, arisiert.
Albert verfügte nun über keine regelmässigen Einkünfte mehr. Die Rente wurde durch Zimmervermietung aufgebessert: Ende 1938 oder im Frühjahr 1939 wurde Jenny Janower, geb. Stenschewski Untermieterin von zwei Zimmern bei Familie Buchsbaum.
Am 12. Juli 1941 machten die Eheleute Buchsbaum ein gemeinsames Testament, in dem sich Albert und Emilie gegenseitig zum Alleinerben bestimmten.
Auch Heinrich machte im Oktober 1941 sein Testament, in dem er seinen Bruder Albert zum Alleinerben einsetzte.
Im November 1941 erlebten Buchsbaums die Deportation ihrer Untermieterin Jenny Janower: Jenny musste sich im Sammellager Levetzowstraße einfinden. Von dort wurde Jenny Janower am 14. November nach Minsk deportiert.
1942 wurden Buchsbaums gezwungen, die Wohnung am Kaiserdamm 105 zu räumen. Ein SS-Obersturmbannführer beanspruchte die Räume. Albert und Emilie wurde eine kleine Wohnung in der Grolmanstraße 51 zugewiesen. Auch der Bruder Heinrich zog mit um.
Albert war durch seine „privilegierte Ehe“ mit der Protestantin Emilie vor der Deportation zwar geschützt. Nicht jedoch vor Drangsalierungen und Demütigungen: Albert musste den gelben Judenstern tragen, wurde mehrfach von der Gestapo abgeholt, es gab Hausdurchsuchungen. Seine Ehefrau Emilie lebte in ständiger Angst, auch sie wurde von Nachbarn beleidigt und beschimpft. Besonders schlimm war die Ernährungssituation: Albert und Heinrich erhielten lediglich „Judenlebensmittelkarten“ mit deutlich geringeren Bezugsmengen für viele Grundnahrungsmittel.
Ab 1942 verschärfte sich die Situation kriegsbedingt durch die zunehmende Rationierung der Lebensmittel auch für die „arische“ Bevölkerung. Emilie teilte ihre Rationen mit Ehemann und Schwager.
Am 14. Dezember 1942 – nur wenige Monate nach der „Umquartierung” in die Grolmanstraße 51 – wurde Heinrich nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Albert Buchsbaum überlebte den Faschismus. Er verstarb am 18. März 1948. Seine Ehefrau Emilie beantragte Wiedergutmachungs- und Entschädigungsleistungen. Sie wurde als von den Berliner Behörden Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung anerkannt.
Emilie Buchsbaum, geb. Weirauch starb 1961.

Schicksal der Brüder von Albert Buchsbaum
Dass Max Buchsbaum zur Familie von Heinrich Buchsbaum gehörte, ist lediglich aus den Entschädigungsakten von Emilie Buchsbaum von 1953 zu entnehmen. Darin geht es um ihren Anspruch als Alleinerbin nach dem Tod ihres Ehemannes Albert. In diesem Zusammenhang hatte sie angegeben, dass Max „…lange vor dem Erblasser (Albert) gestorben war. Er war verheiratet und hat einen Sohn hinterlassen. Dieser Sohn heißt Forster Buchsbaum und lebt seit Jahrzehnten in Amerika, wo er auch geboren ist. Die Anschrift von ihm ist mir nicht bekannt.“
In der Datenbank MyHeritage finden sich folgende Angaben:
Max Buchsbaum wurde 1874 geboren und wanderte schon früh in die USA aus. 1903 heiratete er in New York seine Verlobte Antonie. In der Volkszählung der USA von 1920 wurde erfasst, dass das Ehepaar in New York wohnte und ein Kind mit Namen Forster (Buckner) Buchsbaum hatte. Bei der Volkszählung 1930 lebte Max in Kalifornien.
Bruno, geboren am 04. Dezember 1880, war der jüngste Bruder. Auch er war Kaufmann. Nachweislich ab 1920 lebten Bruno und seine Familie in der Pasteurstraße 38 im Prenzlauer Berg , wo Bruno ein Wäschegeschäft führte.
Er heiratete Martha Schulze (* 16. Januar 1886 in Berlin), die nicht jüdisch war.
Der Sohn Heinz wurde der am 22. Juli 1920 in Berlin geboren.
Die Familie emigrierte 1939 in die USA.

Biografische Zusammenstellung
Stiftung KUNSTFORUM der Berliner Volksbank gGmbH und Sabine Davids

heinrich buchsbaum

Stolperstein Heinrich Buchsbaum

HIER WOHNTE
HEINRICH
BUCHSBAUM
JG. 1878
DEPORTIERT 14.12.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Heinrich Buchsbaum wurde am 29. März 1878 in Naumburg an der Saale geboren. Seine Eltern waren Salomon Buchsbaum und Ida, geb. Rosenthal. Aus dem Erbschein seiner Schwägerin Elfriede Buchsbaum, geborene Weirauch geht hervor, dass er drei Brüder hatte, die alle in Naumburg an der Saale geboren wurden:
  • Albert * 1. Juli 1876 gest. 18. 3.1948 in Berlin
  • Bruno * 4. Dezember 1880 – 1939 Emigration in die USA
  • Max * 1874 – ? Emigration in die USA
Vermutlich 1884 /1895 zog die Familie von Salomon und Ida Buchsbaum nach Berlin. 1886 stand Salomon Buchsbaum erstmals in der Flensburger Straße 15 im Berliner Adressbuch. Im Jahr 1905 wohnte die Familie in der Neuen Königstraße 76. 1911 standen die Witwe Ida mit ihren Söhnen Heinrich und Albert gemeinsam im Berliner Adressbuch in der Neue Königstraße 76. Als Heinrichs Bruder Albert 1911 die Ehe mit Elfriede Weirauch schloss, zog das junge Paar in die Allensteiner Str. 39 ein. Die Wohngemeinschaft mit der Mutter löste sich auf: Heinrich wohnte fortan in der Esmarchstraße 22 . Hier war er bis 1915 gemeldet. Am Ersten Weltkrieg nahm Heinrich als Soldat teil. 1916 stand er unter der Anschrift Hufelandstraße 28 im Berliner Adressbuch. Ab 1917 wohnte Heinrich wieder nah bei seinem Bruder Albert, nämlich in der Allensteiner Straße 39, im Gartenhaus, 1. Stock. Albert und Elfriede lebten im 2. Stock. 1919 zog Heinrich ins Vorderhaus in den 4. Stock um. Heinrich blieb zeitlebens ledig und hatte immer mit seinem Bruder Albert und dessen Ehefrau Elfriede ein enges Verhältnis. Bis 1926 war die Allensteiner Straße 39 der gemeinsame Lebensmittelpunkt. Beruflich machte Heinrich sich 1919 selbständig. Er gründete mit Georg Leyser eine Herrenkonfektionsfabrikation mit Firmensitz am Werderschen Markt 10. Seine Schwägerin Elfriede hielt sich häufiger in der Firma auf und beobachtete ein reges Treiben. Sie beschrieb in ihrem Entschädigungsantrag die Räumlichkeiten und Arbeitsabläufe in der Firma: „ …..Die Firma hatte vier große Räume mit Nebengelass:
  • Zuschneideraum
  • Privatkontor
  • Abnahmeraum
  • Verkaufsraum
    Die Firma stellte in der Herrenkonfektion Anzüge, Paletots und Lederwesten her und beschäftigte im Hause zwei Zuschneider und zwei kaufmännische Angestellte neben den beiden Chefs, und außer Haus eine ganze Anzahl von Zwischenmeistern…..
    Die Firma belieferte…Leineweber…und Firmen außerhalb Berlins..“
    Ab 1927 mieteten Heinrich, Albert und Elfriede gemeinsam in der Wittelsbacher Straße 27 eine 5-Zimmer-Wohnung im vierten Stock.
    Kurz darauf – ab dem Jahr 1929 – vollzogen sich jedoch einige Umbrüche:
    So wurde offenbar der Standort der Herrenbekleidungsfabrikation am Werderschen Markt 10 aufgegeben.
    1930 befand sich laut Adressbuch der Firmensitz von Buchsbaum & Leyser in der Kommandantenstraße 71 – es bleibt unklar, ob es sich um eine Zweigstelle handelte oder tatsächlich um eine Verlagerung der Geschäftsräume nach Berlin-Lichterfelde.
    1931 befand sich der Sitz der Herrenbekleidungsfabrikation von Buchsbaum & Leyser wieder in Mitte, in der Leipziger Straße 78.
    Auch die Wohnung in der Wittelsbacher Straße 25 musste aufgegeben werden, nachdem der Vermieter die Miete um 33 Prozent angehoben hatte. 1933 lebten Heinrich, Albert und seine Ehefrau Emilie bereits am Kaiserdamm 105 in einer 5 ½ – Zimmer-Wohnung.
    Die Herrenbekleidungsfabrikation Buchsbaum & Leyser stand bis 1933 mit der Leipziger Straße 78 im Berliner Adressbuch. Heinrichs Geschäftsparter Georg Leyser war 1933/34 emigriert. Heinrich führte nun die Firma von der Wohnung im Kaiserdamm allein weiter.
    Seine Schwägerin Elfriede beschrieb die Situation folgendermaßen:
    „…Ich weiß, dass sein Betrieb immer kleiner geworden ist, weil die meisten der früheren Besteller keine Aufträge mehr an Juden erteilten. Unsere Wohnung bestand aus 5 ½ großen Räumen, wovon er einen Raum für sich hatte. Dorthin kam jeweils auf Abruf einer seiner früheren Zuschneider und schnitt zu. Die Zwischenmeister holten sich die zugeschnittene Ware ab und lieferten sie nach Bearbeitung wieder aus…
    …Heinrich hat mir und meinem Mann öfters erklärt, dass er vor der Verfolgung sehr viel verdient hatte, und dass sein jetziger Betrieb überhaupt nicht mehr mit dem früheren Betrieb zu vergleichen sei. Der Betrieb ging auch immer mehr zurück, so dass Heinrich seine Ersparnisse von früher für seinen Lebensunterhalt benutzen musste….“
    Am 23. Oktober1941 verfasste Heinrich sein Testament. Er setzte seinen Bruder Albert zum Alleinerben ein. Für eine Emigration war es zu spät.
    Im November 1941 erlebten Heinrich, sein Bruder Albert und seine Schwägerin Emilie die Deportation ihrer Untermieterin Jenny Janower: Jenny musste sich im Sammellager Levetzowstraße einfinden. Von dort wurde Jenny Janower am 14. November nach Minsk deportiert.
    1942 mussten die Buchsbaums ihre Wohnung am Kaiserdamm 105 gezwungenermaßen räumen, da ein Obersturmbannführer sie für sich beanspruchte. Emilie, Albert und Heinrich wurde eine kleine Wohnung in der Grolmannstraße 51 zugewiesen.
    Am 11. Dezember 1942 musste Heinrich die Vermögenserklärung ausfüllen. Darin gab er an, nichts mehr zu besitzen.
    Am 14. Dezember 1942 wurde Heinrich Buchsbaum mit dem 25. Osttransport mit der laufenden Nummer 812 auf der Transportliste nach Auschwitz deportiert und ermordet. Laut der „Sterbebücher von Auschwitz“ lebte Anfang Februar 1943 keiner der 835 Insassen dieses Transportes mehr. (Quelle: Gottwald/Schulle S. 399 f.)
    Mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 6. April 1950 wurde Heinrich zum 31. Dezember 1942 für tot erklärt.
    Sein Bruder Albert überlebte aufgrund der Heirat mit der evangelischen Emilie. Jedoch waren Bruder und Schwägerin Einschüchterungen und Demütigungen ausgesetzt. Albert starb 1948.
    Schicksal der Brüder von Heinrich Buchsbaum:
    Dass Max Buchsbaum zur Familie von Heinrich Buchsbaum gehörte ist lediglich den Entschädigungsakten von Emilie Buchsbaum von 1953 zu entnehmen. Darin geht es um ihren Anspruch als Alleinerbin nach dem Tod ihres Ehemannes Albert. In diesem Zusammenhang hatte sie angegeben, dass Max „…lange vor dem Erblasser (Albert) gestorben war. Er war verheiratet und hat einen Sohn hinterlassen. Dieser Sohn heißt Forster Buchsbaum und lebt seit Jahrzehnten in Amerika, wo er auch geboren ist. Die Anschrift von ihm ist mir nicht bekannt.“
    In der Datenbank MyHeritage finden sich folgende Angaben:
    Max Buchsbaum wurde 1874 geboren und wanderte schon früh in die USA aus. 1903 heiratete er in New York seine Verlobte Antonie. In der Volkszählung der USA von 1920 wurde erfasst, dass das Ehepaar in New York wohnte und ein Kind mit Namen Forster (Buckner) Buchsbaum hatte. Bei der Volkszählung 1930 lebte Max in Kalifornien.
    Albert (* 1. Juli 1876) war Kaufmann, zuletzt als Abteilungsleiter , bis er 1933 oder 1934 aus dem Betrieb gedrängt wurde. Zwar blieb Albert durch seine Ehe mit der Protestantin Elfriede Weirauch vor Deportation und Vernichtung geschützt – aber er musste den Judenstern tragen, bekam reduzierte Lebensmittelmarken, wurde mehrfach von der Gestapo abgeholt, eingeschüchtert und gedemütigt. Er überlebte den Faschismus und starb am 18. März 1948 in Berlin. Das Ehepaar hatte keine Kinder (siehe auch ausführliche Biografie)
    Bruno (* 4.Dezember 1880) war der jüngste Bruder. Auch er war Kaufmann und führte in der Pasteurstraße 38 im Prenzlauer Berg ein Wäschegeschäft. Er heiratete Martha Schulze (* 16.Januar 1886 in Berlin), die nicht jüdisch war. Der Sohn Heinz wurde am 22.Juli 1920 in Berlin geboren. Die Familie lebte nachweislich ab 1920 in der Pasteurstraße 38, bis sie 1939 in die USA emigrierten.

Biografische Zusammenstellung:
Stiftung KUNSTFORUM der Berliner Volksbank gGmbH und Sabine Davids