Stolpersteine Witzlebenstr. 3

Hauseingang Witzlebenstr. 3

Hauseingang Witzlebenstr. 3

Die Stolpersteine für Siegfried Buch, Eva Kiwi, Regina und Nanny Leiser, Julius und Edith Meyerstein, Rudolf Ruben, Elisabeth, Gert Wolfgang und Fred Joachim Schönfeld wurden am 12. Mai 2023 verlegt und von der Hausgemeinschaft gespendet.

Stolperstein Siegfried Buch

Stolperstein Siegfried Buch

HIER WOHNTE
SIEGFRIED BUCH
JG. 1905
FLUCHT 1939 BELGIEN
VERHAFTET GEFÄNGNIS VORST
ENTLASSEN 10.5.1940
INTERNIERT DRANCY
DEPORTIERT 14.8.1942
AUSCHWITZ
ERMORDET 14.9.1942

Siegfried Buch wurde am 25. April 1905 in Buk in der damaligen preußischen Provinz Posen geboren. Über seine Eltern, wann und warum er nach Berlin kam und welchen Beruf er ausübte, ist nicht bekannt.

Am 30. Juni 1939 – also 9 Wochen vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – floh er im Alter von 34 Jahren nach Belgien. Er wurde am 23. August 1939 verhaftet und im Gefängnis Vorst in Brüssel bis zum 10. Mai 1940 – dem Tag der Besetzung Belgiens durch die Deutsche Wehrmacht – eingesperrt. Nach der “Entlassung” wurde Siegfried in ein „Flüchtlingslager” in Merkplas in der Provinz Antwerpern eingewiesen. Von dort wurde er nach Frankreich verschleppt – zunächst in das Internierungslager St. Cyprien in der Nähe von Perpignan in Südfrankreich, anschließend in das sog. „Sammellager” Drançy bei Paris, das als Durchgangslager unmittelbar vor der Deportation “nach Osten” diente.

Siegfried Buch wurde am 14. August 1942, also mehr als drei Jahre nach seiner Flucht aus Berlin, mit dem Transport Nr. 19 vom Bahnhof Le Bourget-Drançy in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort genau einen Monat später, am 14. September 1942, ermordet. Er war 37 Jahre alt.

Mit Siegfried Buch wurden 990 weiteren Jüdinnen und Juden, überwiegend ältere Menschen, aber zum ersten Mal auch Kinder unter 12 Jahren, nach Auschwitz deportiert. Bei ihrer Ankunft im Lager wurden 876 von ihnen sofort in den Gaskammern ermordet. Die verbliebenen 115 Männer, darunter auch Siegfried Buch, wurden als Häftlinge eingewiesen und bis zu ihrer Ermordung zur Sklavenarbeit eingesetzt. Nur einer dieser 115 Männer überlebte.

Recherche und Text: Dr. David Parduhn und Dr. Christoph Baron

Quellen:
- Volkszählung v. 17.5.1939
- Berliner Gedenkbuch der FU
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Berliner Adressbücher
- Transport 14.08.1942 Drancy (tenhumbergreinhard.de)
- Zugfahrten in den Untergang: Datenbank zu den Deportationen im Rahmen der Shoah (Holocaust) (yadvashem.org)

Stolperstein Eva Kiwi

Stolperstein Eva Kiwi

HIER WOHNTE
EVA KIWI
GEB. LEISER
JG. 1867
DEPORTIERT 17.7.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Stolperstein Regina Leiser

Stolperstein Regina Leiser

HIER WOHNTE
REGINA LEISER
JG. 1869
DEPORTIERT 17.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 2.1.1943

Stolperstein Nanny Leiser

Stolperstein Nanny Leiser

HIER WOHNTE
NANNY LEISER
JG. 1873
DEPORTIERT 17.7.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Todesfallanzeige Regina Leiser

Todesfallanzeige Regina Leiser

In diesem Haus lebten auch die Schwestern Eva Kiwi, geb. Leiser, sowie Nanny und Regina Leiser. Alle drei wurden in Buk in der Nähe von Posen in der heutigen Woiwodschaft Großpolen geboren. Eva wurde, als erste der drei Schwestern, am 2. November 1867 geboren. Dann folgte Regina am 18. August 1869 und als dritte Nanny am 10. September 1873.

Als Hauptmieterin in der Witzlebenstraße 3 war in den Berliner Adressbüchern seit mindestens 1933 Regina Leiser eingetragen – noch 1940/1941 als Geschäftsinhaberin. Aufgrund des „Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden” vom 30. April 1939 wurden die drei Schwestern – wie so viele jüdische Menschen damals – zwangsweise aus ihrer Wohnung vertrieben. Dieses Gesetz hob den Mieterschutz für jüdische Menschen auf. Die amtliche Begründung lautete „dass es eine vertrauensvolle Hausgemeinschaft zwischen Deutschen und Juden nicht geben könne”. Die Schwestern wurden in ein sogenanntes „Judenhaus“ in der Kantstraße 33 eingewiesen, aus dem weit über 20 Menschen deportiert wurden.

Eva, Regina und Nanny Leiser mussten sich in dem von den Nazis als „Sammellager” missbrauchten Ersten Altenheim der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Großen Hamburger Straße 26 einfinden und wurden von dort mit dem sog. „24. Alterstransport” am 17. Juli 1942 – vermutlich vom Anhalter Bahnhof aus – in das Ghetto Theresienstadt deportiert. In der Transportliste wurden alle drei als “ledig” und “ohne Beruf” registriert, obwohl Eva mit einem Herrn Kiwi verheiratet gewesen und vermutlich Witwe war.

Eva Kiwi und Nanny Leiser wurden am 19. September 1942 von Theresienstadt weiter in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und – falls sie nicht schon auf dem Transport verstarben – vermutlich am Tag der Ankunft, am 21. September 1942, ermordet. Insgesamt befanden sich ca. 2000 Menschen in diesem Deportationszug mit der Bezeichnung „Transport BO, Zug Da 83“ Auf ihren Deportationsscheinen stand als Ziel „Nach Osten”. Nicht eine einzige Person der 2000 Menschen hat überlebt.

Regina Leiser muss den Abtransport ihrer Schwestern nach Treblinka noch miterlebt haben, denn sie verstarb dreieinhalb Monate später am 2. Januar 1943 im Ghetto Theresienstadt – laut Todesfallanzeige angeblich an einem “akuten Darmkatarrh”.
Man weiß aber heute, dass mit solchen Angaben häufig die eigentlichen Todesursachen – wie z. B. Hunger, Kälte, mangelnde medizinische Versorgung und Hygiene sowie die allgemein lebensfeindlichen Zustände im Ghetto Theresienstadt – verschleiert wurden.

Recherche und Text: Dr. David Parduhn und Dr. Christoph Baron

Quellen:
- Volkszählung v. 17.5.1939
- Berliner Gedenkbuch der FU
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Berliner Adressbücher
- Opferdatenbank Theresienstadt
- Deportationsliste: AT24-2.jpg (1298×887) (statistik-des-holocaust.de) Nrn 34-36
- Transports to Extinction: Holocaust (Shoah) Deportation Database (yadvashem.org)

Stolperstein Julius Meyerstein

Stolperstein Julius Meyerstein

HIER WOHNTE
JULIUS
MEYERSTEIN
JG. 1875
DEPORTIERT 25.1.1942
RIGA
ERMORDET

Stolperstein Edith Meyerstein

Stolperstein Edith Meyerstein

HIER WOHNTE
EDITH
MEYERSTEIN
GEB. GOLDMANN
JG. 1880
DEPORTIERT 25.1.1942
RIGA
ERMORDET

Julius Meyerstein wurde am 11. Dezember 1875 in Posen geboren,* Edith Meyerstein, geb. Goldmann*, am 1. Februar 1880 in Lissa in der damaligen preußischen Provinz Posen, dem heutigen Leszno in der Woiwodschaft Großpolen. Wann und warum sie nach Berlin kamen und wann sie heirateten, ist nicht bekannt. Möglicherweise kamen sie – wie so viele Menschen – nach der Wiederherstellung Polens nach dem Ersten Weltkrieg durch den Versailler Vertrag von 1920 nach Berlin, weil sie Deutsche bzw. Preußen waren und nicht Polen werden wollten.

In den Berliner Adressbüchern ist Julius Meyerstein seit mindestens 1925 und bis 1941, zunächst als “Kaufmann”, später als “Vorsteher”, in der Witzlebenstraße 3 verzeichnet.

Edith und Julius Meyerstein mussten sich in der von den Nationalsozialisten als „Sammelllager” missbrauchten Synagoge in der Levetzowstraße 7-8 in Tiergarten einfinden. Von hier wurden sie vor den Augen der Bevölkerung fast 8 km durch die Stadt zum Güterbahnhof Grunewald, Gleis 17, getrieben und am 25. Januar 1942 mit dem sog. “10. Osttransport” – zusammen mit weiteren über 1000 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern – nach Riga deportiert. Am 30. Januar 1942 kam der Zug auf dem Vorortbahnhof Riga-Skirotava an. Das Ghetto Riga war damals schon geschlossen. Die meisten Menschen in diesem Transport – soweit nicht bereits auf der Fahrt erfroren oder umgekommen – wurden sofort nach der Ankunft erschossen – vermutlich auch Julius und Edith Meyerstein. Nur 13 Menschen überlebten.

Recherche und Text: Dr. David Parduhn und Dr. Christoph Baron

Quellen:
- Volkszählung v. 17.5.1939
- Berliner Gedenkbuch der FU
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Berliner Adressbücher
- Deportationsliste OT10-25.jpg (1304×898) (statistik-des-holocaust.de) Nrn 348 und 349

Stolperstein Rudolf Ruben Schönfeld

Stolperstein Rudolf Ruben Schönfeld

HIER WOHNTE
RUDOLF RUBEN
SCHÖNFELD
JG. 1893
DEPORTIERT 3.2.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein Elisabeth Schönfeld

Stolperstein Elisabeth Schönfeld

HIER WOHNTE
ELISABETH
SCHÖNFELD
GEB. BLOCH
JG. 1907
DEPORTIERT 3.2.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein Gert Wolfgang Schönfeld

Stolperstein Gert Wolfgang Schönfeld

HIER WOHNTE
GERT WOLFGANG
SCHÖNFELD
JG. 1931
DEPORTIERT 3.2.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein Fred Joachim Schönfeld

Stolperstein Fred Joachim Schönfeld

HIER WOHNTE
FRED JOACHIM
SCHÖNFELD
JG. 1934
DEPORTIERT 3.2.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Rudolf Ruben Schönfeld, der am 18. November 1893 in Breslau (Schlesien) geboren wurde, wohnte mit seiner Frau Elisabeth und den Söhnen Gert und Fred seit mindestens 1936 in diesem Haus. Laut Berliner Adressbüchern war er Kaufmann.

Elisabeth Schönfeld, geb. Bloch, hatte am 19. Februar 1907 in Straßburg (Frankreich) das Licht der Welt erblickt. Wann die beiden heirateten, ist nicht bekannt. Am 25. Februar 1931 kam der Sohn Gert Wolfgang Max in Berlin zur Welt, der Sohn Fred Joachim folgte am 23. Juni 1934.

Bis 1942 war die Familie Schönfeld im Berliner Adressbuch in diesem Haus verzeichnet. Dann wurde auch sie zwangsweise aus ihrer Wohnung aus- und in eine sog. „Judenwohnung” in der Gervinusstraße 24 eingewiesen. Schon 1939 wohnten dort mindestens 10 Menschen, die deportiert wurden. Später kamen viele weitere hinzu.

Die Schönfelds wurden aus der Gervinusstraße 24 von der Gestapo in das von den Nationalsozialisten als „Sammellager” missbrauchte Erste Altenheim der jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Große Hamburger Straße 26 verbracht. Am 3. Februar 1943 wurden sie vom Güterbahnhof Moabit aus mit dem sog. „28. Osttransport” in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Mit diesem Transport wurden insgesamt 952 Menschen in den Tod geschickt – 950 stammten aus Berlin, dazu kamen Erika Lehwald aus Frankfurt/Main und Günther Schneider aus München.

Als Familie Schönfeld in Auschwitz ermordet wurde, war Rudolf Schönfeld 50 Jahre alt und seine Frau Elisabeth gerade 35 Jahre. Die Söhne Gert und Fred waren erst 11 bzw. 8 Jahre alt.

Recherche und Text: Dr. David Parduhn und Dr. Christoph Baron

Quellen:
- Volkszählung v. 17.5.1939
- Berliner Gedenkbuch der FU
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Berliner Adressbücher
- Deportationsliste: OT28-1.jpg (1191×855) (statistik-des-holocaust.de) Nr. 19 bis 24