Stolpersteine Landhausstr. 042

Die Stolpersteine für Erich, Fernande und Eva Suzanne Abraham Collin wurden am 31. August 2023 verlegt.

Stolperstein Erich Abraham Collin

Stolperstein Erich Abraham Collin

HIER WOHNTE
ERICH
ABRAHAM COLLIN
ERIC COLLIN
JG. 1899
FLUCHT 1935 ÖSTERREICH
1938 ENGLAND
1941 USA

Erich Abraham Collin wurde am 26. August 1899 in Berlin in der Magdeburger Straße 20 als Erich Max Adolf Abraham geboren. Sein Vater war der angesehene jüdische Kinderarzt Dr. Paul Hermann Abraham. Im Jahr 1906 trennten sich die Eltern, und die protestantische Mutter Else Abraham geb. Collin zog mit ihm, der ebenfalls protestantisch getauft war, und seinen beiden Schwestern in die Maaßenstraße. Von da an benutzte sie – und auch der Sohn – ihren Mädchennamen Collin. Als Erwachsener nannte er sich mit Vater- bzw. Mutternamen in unterschiedlichen Variationen.

Ab 1909 besuchte Erich Collin das Mommsen-Gymnasium in der Wormser Straße, wo er regelmäßig bei Schülerkonzerten sang. Außerdem nahm er privaten Geigen- und Gesangsunterricht. Nach dem Abitur wurde er kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges noch zum Militär eingezogen, aber bald nach der Grundausbildung wieder entlassen. Von 1918 bis 1922 studierte er in Berlin und München auf Wunsch des Vaters Medizin. Er brach das Studium allerdings ab und machte ab 1922 eine Lehre als Bankkaufmann. Von 1924 bis 1927 studierte er Gesang und Violine an der Musikhochschule Berlin.

Genau wie Harry Frommermann (Stolperstein Paulsborner Straße 20) konnte er sich seinen Traum von einer Karriere als Künstler erst nach dem frühen Tod des Vaters erfüllen. An der Musikhochschule machte er die Bekanntschaft von Erwin Bootz, der damals schon Pianist bei den Comedian Harmonists war. Der brachte ihn im März 1929 zu dem zur Jahreswende 1927/1928 gegründeten Berliner Vokalensemble „Comedian Harmonists”.(Berliner Gedenktafel Stubenrauchstraße 47).

Comedian Harmonists

Comedian Harmonists, Erich Abraham Collin, zweiter von links

Erich Collin erledigte in der Gruppe einen Großteil der Korrespondenz und der geschäftlichen Verhandlungen. Er galt als der Gentleman der Gruppe, er war gebildet, kultiviert, sprach mehrere Sprachen, hatte aber auch ein bisschen den Ruf, ein „zerstreuter Professor“ zu sein. In einem Interview erzählte seine Schwester Anne-Marie über ihn: „Meine Haupterinnerung ist, dass er ein Träumer war. Wir nannten das natürlich ‚dusselig‘, er vergaß alles und war so mit sich beschäftigt, mit seiner Welt, und das war eine Welt von Form und Musik.“

Im Frühjahr 1930 lernte er bei einer Konzertreise nach Frankfurt am Main in einem Tanzlokal die Halbfranzösin Fernande Holzamer kennen. Die beiden heirateten am 30. Juni 1931 und lebten in der Carmerstraße 7 in Berlin-Charlottenburg. Im März 1932 wurde die Tochter Eva Suzanne, genannt „Suse“ geboren. Ab Oktober 1934 wohnte die Familie in der Landhausstraße 42 in Berlin-Wilmersdorf.

Als er 1935 wegen seiner jüdischen Herkunft nicht in die Reichsmusikkammer aufgenommen wurde, konnte Erich Collin in Deutschland nicht mehr als Künstler tätig sein und floh – wie die anderen jüdischen Mitglieder der Comedian Harmonists – nach Wien, wo sie eine neue Gruppe gründeten.

Die Familie Collin wohnte im 18. Wiener Bezirk. Die ausgedehnten Tourneen mit den Comedian Harmonists machten Ehefrau und Tochter nur selten mit. Spätestens ab 1938 lebten beide bei Verwandten in Paris. Tochter Suzanne sollte nicht aus dem Koffer leben müssen. Ab 1939 wohnte Fernande Abraham Collin mit ihrer Tochter zunächst in Lyon-Villeurbanne, während ihr Mann auf Tournee war – u.a. in Australien. Die Gruppe plante, sich in Australien niederzulassen. Seine Schwester Anne-Marie hatte Erich Collin dorthin schon nachkommen lassen. Er versuchte auch, Frau und Tochter zu sich nach Australien zu holen, es gab jedoch Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Pässen. Als Fernande und Suzanne Abraham Collin endlich die Papiere für die Ausreise bekamen, war die Überfahrt per Schiff wegen des Zweiten Weltkrieges bereits zu gefährlich geworden.

Auch bei den Comedy Harmonists, wie sich die Gruppe in Australien nannte, war Erich Collin für die geschäftlichen Dinge verantwortlich. Nach der Auflösung der Gruppe im Jahr 1941 ging er nach Amerika und arbeitete eine Zeitlang in einer Weinhandlung. Als die bankrott ging, wurde er arbeitslos. Durch die Vermittlung von Albert Einstein, der ein guter Bekannter der Familie in Berlin gewesen war, bekam er eine befristete Anstellung als Dozent für deutsche Musik an der New Yorker Universität. Danach verdiente er sein Geld als Verkäufer für Enzyklopädien und in einer medizinischen Buchhandlung. Schließlich belegte er einen Ausbildungskurs für Kunststofftechnik und fand eine Anstellung in einer Fabrik. Dann wurde er Direktions-Assistent in einem Warenhaus.

Fernande und Eva Suzanne lebten seit Kriegsbeginn in einer Pension in Neuilly bei Paris und hatten keine Möglichkeit, aus dem von deutschen Truppen besetzten Frankreich nach Amerika zu emigrieren. Fernande nutzte nur noch ihren Mädchennamen Holzamer, sprach mit ihrer Tochter französisch und gab beide als staatenlos aus. Auf diese Weise gelang es ihr, gegenüber den Besatzern ihre deutsche Staatsbürgerschaft zu verbergen. Erst nach Kriegsende erfuhr Eva Suzanne die Wahrheit über ihre Herkunft.
Nach dem Krieg fehlten Fernande Collin die Mittel für eine Überfahrt nach Amerika. Das Geld, das Erich Collin seiner Familie schicken konnte, wurde für den Lebensunterhalt benötigt. Erst dank finanzieller Unterstützung von Erich Collins Arbeitgeber konnten Fernande und Suzanne schließlich im Januar 1947 nach New York reisen und sahen nach neun Jahren in Los Angeles ihren Ehemann und Vater wieder. Erich Collin wohnte zu dieser Zeit in einem winzigen Appartement in Hollywood.

1947 wurde er erneut arbeitslos. Aus der Sehnsucht nach musikalischer Betätigung und aus der wirtschaftlichen Not heraus beschäftigte er sich ab dieser Zeit mit der Neugründung einer Gruppe im Stil der Comedian Harmonists und fand schließlich einige amerikanische Sänger, mit denen er sich zusammentat. Mit dem Programm „From Classic To Jazz“ trat die Gruppe zunächst in Kalifornien und ab Sommer 1948 in Europa auf. Im Februar 1949 machten sie in Basel Plattenaufnahmen. Leider kam es aber zu Konflikten innerhalb der Gruppe und damit war das Projekt am Ende. Am 23. Dezember 1949 wurde Erich Collin als Eric Abraham Collin in den USA eingebürgert.

1952 war er wieder arbeitslos. Aufgrund seiner Erfahrungen und seines handwerklichen Geschicks richtete er sich eine kleine Werkstatt für Design und Produktion von Kunststoffgegenständen ein, wo er u. a. Acrylgestelle zur Präsentation von Uhren und Brillen als Schaufensterdekorationen anfertigte. Diese Beschäftigung übte er mehrere Jahre aus, obwohl er ab 1952 hauptberuflich als Plexiglas-Spezialist bei den Northrop-Flugzeugwerken tätig war.

Ab dem Sommer 1954 versuchte Eric Abraham Collin erneut, eine Gesangsgruppe zu gründen, zum Teil mit Mitgliedern der amerikanischen Gruppe von 1948/1949. Die Gruppe sollte schlicht „The Harmonists“ oder auch „The American Harmonists“ heißen. Letztlich führten aber Personalprobleme, Meinungsverschiedenheiten und die permanente Geldknappheit dazu, dass er dieses Projekt aufgab. Damit scheiterte endgültig seine Hoffnung, jemals wieder ein Gesangsensemble im Stil der Comedian Harmonists auf die Beine stellen zu können.

Im Jahr 1959 bekam Eric Collin eine Entschädigungszahlung, und ab 1960 erhielten er und seine Frau kleine Verfolgtenrenten aus Deutschland.

Eric Collin starb am 29. April 1961 in Los Angeles unerwartet während einer Blinddarmoperation an Herzversagen. Sein Grab befindet sich auf dem Hollywood Memorial Cemetery in Los Angeles.

Recherche und Text: Jan Grübler und Martina Wunsch Quellen und Literatur:
  • Jan Grübler in: http://www.comedian-harmonists.net/?page_id=491
  • Czada, Peter, Günter Große: Comedian Harmonists. Ein Vokalensemble erobert die Welt. Berlin 1993/1998.
  • Fechner, Eberhard: Die Comedian Harmonists. Sechs Lebensläufe. München 1988.
  • Friedman, Douglas E.: The Comedian Harmonists. The Last Great Jewish Performers in Nazi, Germany. West Long Branch 2010.
Stolperstein Fernande Abraham Collin

Stolperstein Fernande Abraham Collin

HIER WOHNTE
FERNANDE
ABRAHAM COLLIN
GEB. HOLZAMER
JG. 1909
FLUCHT 1935 ÖSTERREICH
1938 FRANKREICH
MIT HILFE ÜBERLEBT

Fernande Abraham Collin geb. Holzamer war die nicht-jüdische Ehefrau von Erich Collin (geb. als Erich Abraham), zweiter Tenor der „Comedian Harmonists“. Sie lernten sich im Frühjahr 1930 bei einer Konzertreise der Gruppe nach Frankfurt am Main in einem Tanzlokal kennen. Die Tochter des aus Deutschland stammenden Schneiders Sebastian Holzamer und dessen französischer Ehefrau Henriette, geb. Darcy, machte in ihrer Heimatstadt Frankfurt gerade eine Lehre als Schneiderin in einem Modegeschäft. Sie hatte zwei Geschwister und war die Nichte des Schriftstellers Wilhelm Holzamer.

Ihre Kindheit verbrachte Fernande Holzamer in Frankreich. Ihr Vater wurde während des 1. Weltkrieges in Frankreich als Kriegsdienstverweigerer interniert, seine Frau und der zweijährige Sohn Henri lebten mit ihm im Lager. In dieser Zeit kamen Fernande und ihre Schwester Helene bei einer Tante in Frankreich unter. 1918 übersiedelte die Mutter mit dem erkrankten Sohn zu einem Schwager nach Frankfurt am Main, Fernande und ihre Schwester konnten erst 1920 folgen.

Am 30. Juni 1931 heirateten Erich Collin und Fernande Holzamer in Frankfurt am Main. Nach der Heirat trug Fernande den Familiennamen Abraham, benutzte aber später auch den Doppelnamen Abraham Collin. Am 31. März 1932 wurde in Berlin die gemeinsame Tochter Eva Suzanne (1932–1994) geboren.

Nach der Flucht nach Wien 1935 wohnte Familie Abraham Collin in der Wallriessstraße 102 im 18. Wiener Bezirk. Fernande begleitete 1937 die Tournee der Exilgruppe „Comedian Harmonists“ nach Australien, blieb aber danach mit ihrer Tochter in Wien. Seit der deutschen Besetzung Österreichs 1938 lebten beide bei Verwandten in Paris. Hier gab es 1938 ein kurzes Wiedersehen mit Erich, der mit der Gruppe auf der Durchreise nach Südamerika war. Er versuchte, Frau und Tochter 1939 nach Australien kommen zu lassen, es gab jedoch Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Pässen. Als Fernande und Eva Suzanne endlich die Papiere für die Ausreise nach Australien bekamen, war die Überfahrt per Schiff wegen des Krieges bereits zu gefährlich geworden.

Fernande zog mit ihrer Tochter nach Frankreich zu Freunden in eine Pension in Neuilly. Sie nutzte im besetzten Frankreich nur noch ihren Mädchennamen Holzamer, sprach mit ihrer Tochter nur französisch und gab beide als staatenlos aus. Auf diese Weise gelang es ihr, gegenüber den Behörden ihre deutsche Staatsbürgerschaft zu verbergen. Mit Hilfe von Verwandten blieben Fernande und ihre Tochter bis zum Kriegsende von den deutschen Besatzern unbehelligt. Ab 1941 konnte sie über einen Schweizer Freund wieder Briefe an Erich schreiben und bat ihn um finanzielle Unterstützung.

Erst nach Kriegsende sagte Fernande ihrer Tochter Suzanne die Wahrheit über ihre Herkunft. Zu dieser Zeit fehlten ihr die Mittel für eine Überfahrt nach Amerika. Das Geld, das Erich Collin seiner Familie gelegentlich schicken konnte, wurde für den Lebensunterhalt benötigt. Durch die finanzielle Hilfe von Erich Collins Arbeitgeber konnten Fernande und Suzanne schließlich im Januar 1947 die Schiffspassage von Le Havre nach New York antreten.

Familie Collin wohnte zunächst in Hollywood, ab Ende der vierziger Jahre in Los Angeles. Fernande Collin war bei der Warenhauskette „May-Company“ angestellt, wo sie zum Assistant Departement Director aufstieg, danach im Einkaufszentrum „Bullock’s Westwood“ in Los Angeles. Sie wurde am 28. Dezember 1951 als Fernande Collin in den USA eingebürgert. Fernande und ihr Ehemann erhielten ab Ende der 1950er Jahre kleine Verfolgtenrenten aus Deutschland.

Nach dem Tod von Eric Collin 1961 heiratete Fernande am 21. Januar 1964 den Wirtschaftsprüfer Bruce P. Currie (1900–1980), der seinen Sohn Dan mit in die Ehe brachte. 1975 wurden Fernande Currie und Erichs jüngere Schwester Anne-Marie von Eberhard Fechner für seine Fernsehdokumentation „Die Comedian Harmonists – Sechs Lebensläufe“ interviewt.

Fernande Currie wohnte zuletzt in Pasadena.bei ihrer Tochter Eva Suzanne, die am 17.Dezember 1994 starb. Fernande Currie, verw. Abraham Collin, geb. Holzamer, starb am 17. August 1995 und wurde im Westwood Memorial Park in Los Angeles neben ihrem zweiten Ehemann beigesetzt.

Recherche und Text: Martina Wunsch und Jan Grübler, mit Dank an Deborah Tint und Marc Alexander
http://www.comedian-harmonists.net/?page_id=491

Stolperstein Eva Suzanne Abraham Collin

Stolperstein Eva Suzanne Abraham Collin

HIER WOHNTE
EVA SUZANNE
ABRAHAM COLLIN
JG. 1932
FLUCHT 1935 ÖSTERREICH
1938 FRANKREICH
MIT HILFE ÜBERLEBT

Eva Suzanne Abraham Collin wurde als Tochter von Erich Abraham Collin und seiner Frau Fernande, geb Holzamer, am 31. März 1932 in Berlin als geboren. Die Mutter war protestantisch, der Vater jüdischer Herkunft, aber ebenfalls protestantisch getauft. 1935 floh die Familie nach Wien, da Erich Collin nicht mehr mit seinem berühmten Vokalensemble „Comedian Harmonists” auftreten durfte. In Wien gründete er gemeinsam mit Harry Frommermannn und Roman Cycowski eine neue Gesangsgruppe gleichen Namens.

Als Kind begleitete „Suse“ mit ihrer Mutter die Tourneen des Vaters mit den „Comedian Harmonists“ nach Italien und Russland. Danach sollte sie zur Schule gehen, daher blieb die Mutter mit ihr zunächst in Wien. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich flohen beide nach Frankreich. Ihre Mutter verheimlichte ihr ihre jüdische Herkunft, um sie nicht zu gefährden, und gab sie in eine von Nonnen geführte Schule. Beide galten als staatenlos, nannten sich mit dem Geburtsnamen der Mutter Holzamer und sprachen nur französisch. Erst nach dem Krieg erfuhr Suzanne vom Schicksal ihres Vaters Erich Abraham Collin.

1947 übersiedelte Eva Suzanne mit ihrer Mutter zum Vater nach Los Angeles. Sie besuchte die Fairfax und die Hollywood High School und begann ein Master-Studium in Kunst und Malerei an der University of California in Los Angeles (UCLA). Sie wurde in den USA eingebürgert und heiratete 1950 den Amerikaner Albert Alexander. 1951 wurde ihr Sohn Marc geboren. Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann trat sie 1956 zum jüdischen Glauben über und heiratete Lester Martin Tint. 1957 wurde ihre Tochter Deborah geboren. Suzanne arbeitete kurzzeitig an einer Schule in Los Angeles, war dann Anwaltssekretärin. Sie engagierte sich aktiv gegen den Vietnamkrieg.

Nach der Scheidung von ihrem dritten Ehemann Rudolph F. Crosswell setzte Suzanne ihr Studium an der State University of California in Los Angeles fort und erlangte 1975 den Abschluss als Master of Arts in Kunst und Malerei. 1977 war sie Produktionsassistentin für den in Europa gedrehten Film „Cross of Iron“ (dt.: „Steiner – Das eiserne Kreuz“) von Sam Peckinpah.

Suzanne malte ihr Leben lang, fertigte Skulpturen und sprach fließend Französisch, Spanisch und Englisch. 1992 heiratete sie ihren vierten Ehemann Donald W. Trask.
Suzanne Eva Trask, geb. Abraham Collin starb am 17. Dezember 1994 in Pasadena (Kalifornien), ihre Asche wurde in Ojai/Kalifornien verstreut.

Recherche:und Text: Martina Wunsch und Jan Grübler, mit Dank an Deborah Tint und Marc Alexander
http://www.comedian-harmonists.net/?page_id=491