Stolpersteine Gieselerstraße 12

Die Stolpersteine für Regina Edel, Dr. Kurt, Liesbeth und Hans-Adolf Jacobsohn, Hugo und Flora Philips, Selma Schnee wurden am 1.Oktober 2010 verlegt.

Der Stolperstein für Anna le Coutre wurde am 11. April 2024 in Anwesenheit von Familienangehörigen verlegt und von Familie le Coutre gespendet.

Stolperstein für Regina Edel

Stolperstein für Regina Edel

HIER WOHNTE
REGINA EDEL
GEB. LICHTENSTEIN
JG. 1875
DEPORTIERT 17.12.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 23.2.1943

Stolperstein Anna le Coutre

ANNA LE COUTRE
GEB. JACOBSOHN
JG. 1893
EINGEWIESEN 1938
LANDESANSTALT NEURUPPIN
‘VERLEGT’ 22.4.1940
HEILANSTALT BERLIN-BUCH
22.7.1940
BRANDENBURG/HAVEL
ERMORDET 22.7.1940
AKTION T4

English-Version

Anna Amalie le Coutre wurde am 1. November 1893 in Deutsch-Eylau als Tochter des jüdischen Kaufmanns Adolf Jacobsohn und seiner Frau Henriette Jacobsohn, geb. Lindemann, geboren. Ihr jüngerer Bruder war der Rechtsanwalt Dr. jur. Kurt Alexander Jacobsohn, geb. 2. September 1897 in Deutsch-Eylau, der zusammen mit seiner Frau Liesbeth Jacobsohn, geb. Guthmann, und ihrem gemeinsamen Sohn Hans Jacobsohn am 15. Mai 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Ihre jüngere Schwester war Regina Pfeiffer-Horn, geb. Jacobsohn (geb. 30. März 1895 in Deutsch-Eylau). Regina Pfeiffer-Horn flüchtete in die USA. In erster Ehe war sie mit Alfred Horn verheiratet und nach dessen Tod mit Dr. Alfred Pfeiffer.
Am 27. März 1916 heiratete Anna Amalie Jacobsohn den Arzt Dr. Paul Bruno Richard le Coutre (geb. 31. März 1888, gest. 19. März 1941) in Deutsch-Eylau. Da Paul le Coutre protestantisch war, konvertierte Anna le Coutre vom Judentum zum Protestantismus. Anna und Paul le Coutre hatten die zwei Kinder Charlotte Louise le Coutre (geb. 26. Dezember 1916 in Wartenburg, gest. 28. Oktober 1991 in Portland, Maine, USA) und Joachim le Coutre (geb. 11. Februar 1918 in Wartenburg, gest. 26. Juni 2010 in Göttingen).
Die Ehe von Anna und Paul le Coutre wurde am 19. Februar 1923 geschieden. Nach der Scheidung ihrer Eltern blieben Charlotte und Joachim le Coutre bei ihrem Vater Paul le Coutre, der 1926 in zweiter Ehe Ruth Stöckert (geb. 2. Oktober 1902, gest. 14. März 1989) heiratete. Das Paar bekam die vier Kinder Eberhard (geb. 7. März 1928, gest. 19. Januar 2014), Jutta (geb. 21. März 1931, gest. 13. April 2017), Leberecht (geb. 22. Mai 1934) und Christian (geb. 27. Januar 1939, gest. 1. Januar 2022). Die Familie mit nun sechs Kindern lebte in Rügenwalde. Charlotte und Joachim le Coutre hielten den Kontakt zu ihrer Mutter aufrecht und trafen sie regelmäßig. Paul le Coutre starb 1941 eines natürlichen Todes. Gegen Ende des Krieges floh Ruth le Coutre mit ihren jüngeren Kindern nach Husum.
Der Lebensweg von Anna le Coutre nach der Scheidung von Paul le Coutre im Jahr 1923 ist nur unvollständig bekannt. Wahrscheinlich lebte sie zumindest zeitweise in Berlin. Es ist nicht bekannt wo und wie Anna le Coutre in Berlin lebte, bevor sie erfasst und verschleppt wurde. Aber sie war immer wieder in Kontakt mit ihrem in Berlin lebenden Bruder Dr. Kurt Jacobsen. Aus diesem Grund wurde der Stolperstein zu ihrem Gedenken an der Adresse ihres Bruders in der Gieselerstrasse 12 in Wilmersdorf verlegt.
Leberecht le Coutre, hielt die Erinnerung an Anna in privaten Familienarchiven über Jahrzehnte aufrecht, aber aufgrund fehlender Dokumente und sich widersprechender Erzählungen konnte keine präzise Biographie erstellt werden. Erst 2021 ließen sich wenige Details über Anna le Coutres letzte Jahre anhand von öffentlich zugänglichen Archiven in Deutschland rekonstruieren.

Anna Amalie le Coutre um 1916

Anna Amalie le Coutre um 1916

Vermutlich wurde Anna le Coutre nach der Machtübernahme durch die Nazis als psychisch krank eingestuft und in einer entsprechenden Institution aufgenommen. Es ist dokumentiert, dass sie 1938 von den Wittenauer Heilstätten in die Landesanstalt Neuruppin verbracht wurde. Am 18. Juli 1940 wurde sie von dort in die Heil- und Pflegeanstalt Berlin-Buch transferiert und zwei Tage später von dort in die Tötungsanstalt Brandenburg gebracht, wo sie am 22. Juli 1940 ermordet wurde. Anna le Coutre wurde aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und ihrer angeblichen geistigen Störung im Rahmen des berüchtigten T4-Euthanasie-Programmes ermordet.
Annas Tochter Charlotte le Coutre floh 1938 nach New York und heiratete Harry Stass (geboren 24. Juni 1906 gestorben 12. Juli 2000 in New York) mit dem sie die Kinder Peter Stass (geb. März 1940, verstorben Sommer 1945), George Stass (geb. 8. April 1941), Irene Sarnelli (geb. 21. Juli 1942), Mary Rokosz (geb. 18. Dezember 1943), Nancy le Coutre (geb. 2. November 1948) und Simone le Coutre (geb. 16. September 1952) hatte. Sie zog auch John Stass auf, den ersten Sohn ihres Ehemanns aus erster Ehe.
Annas Sohn Joachim le Coutre blieb bei seinem Vater und seiner Stiefmutter, verbrachte einige Zeit in Brasilien und kehrte nach Deutschland zurück, wo er trotz seiner jüdischen Herkunft in die Wehrmacht eingezogen wurde, bis er entlassen wurde. Er ist der Vater von Thomas le Coutre und Dr. Christine Gross, geb. le Coutre.
Anna le Coutre hatte 8 Enkel und 16 Großenkel, die entweder in den USA oder in Deutschland leben. Wahrscheinlich wusste Anna le Coutre zu Lebzeiten nicht, dass sie bereits ein Enkelkind hatte.

Recherche und Text: Philipp le Coutre, Nancy le Coutre und Simone le Coutre

(In einigen Quellen wird der Name Anna le Coutres fälschlicherweise als le Coutke oder le Contre angegeben):
- Leberecht le Coutre: Private Dokumentationen und Familienunterlagen
- Gedenkort T4: https://www.gedenkort-t4.eu/sites/default/files/media/file/18_0110_opferdatenbank_berlin_buch_dietmar_schulze.pdf
- Gedenkbuch des Bundesarchivs: https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de910109
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv,Bestand Rep. 55C Landesanstalt Neuruppin, Signatur A 8
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Akte Rep. 55C Landesanstalt Neuruppin Nr. 34
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 4A Kammergericht Berlin Personalia Nr. 7950: Personalakte von Dr. Kurt Jacobsohn als Rechtsanwalt bzw. Konsulent,1924-1935
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II) Vermögensverwertungsstelle Nr. 17056 (u. a. Vermögenserklärung von Kurt Jacobsohn, seiner Ehefrau und seines Sohnes) 1944-1961

Stolperstein für Liesbeth Jacobsohn

HIER WOHNTE
LIESBETH
JACOBSOHN
GEB. GUTMANN
JG. 1910
DEPORTIERT 23.2.1944
THERESIENSTADT
ERMORDET 1944 IN
AUSCHWITZ

Stolperstein für Hans Adolf Jacobsohn

Stolperstein für Hans Adolf Jacobsohn

HIER WOHNTE
HANS ADOLF
JACOBSOHN
JG. 1936
DEPORTIERT 23.2.1944
THERESIENSTADT
ERMORDET 1944 IN
AUSCHWITZ

Stolperstein für Dr. Kurt Jacobsohn

Stolperstein für Dr. Kurt Jacobsohn

HIER WOHNTE
DR.KURT
JACOBSOHN
JG. 1897
DEPORTIERT 23.2.1944
THERESIENSTADT
ERMORDET 1944 IN
AUSCHWITZ

Stolperstein für Hugo Philips

Stolperstein für Hugo Philips

HIER WOHNTE
HUGO PHILIPS
JG. 1884
DEPORTIERT 4.3.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein für Flora Philips

Stolperstein für Flora Philips

HIER WOHNTE
FLORA PHILIPS
GEB. WALLACH
JG. 1896
DEPORTIERT 2.3.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein für Selma Schnee

Stolperstein für Selma Schnee

HIER WOHNTE
SELMA SCHNEE
JG. 1880
DEPORTIERT 12.1.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET