Stolpersteine Livländische Str. 26

Stolpersteine Livländische Straße 26

Hausansicht Livländische Str. 26, Foto: H-J. Hupka, 2013

Hausansicht Livländische Str. 26, Foto: H-J. Hupka, 2013

Die Stolpersteine für Kurt und Stella Ehrlich wurden von Renate Graf (Berlin) gespendet und am 25.10.2012 verlegt.

Die Stolpersteine zum Gedenken an Joachim Latz und Franziska Richter wurden auf Initiative von Renate Graf (Berlin) am 8.6.2013 verlegt und von ihr sowie einigen Hausbewohnern gespendet.

Stolperstein Kurt Ehrlich, Foto: F. Siebold, 2012

Stolperstein Kurt Ehrlich

HIER WOHNTE
KURT EHRLICH
JG. 1883
DEPORTIERT 17.5.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Stella Ehrlich, Foto: F. Siebold, 2012

Stolperstein Stella Ehrlich

HIER WOHNTE
STELLA EHRLICH
GEB. MAY
JG. 1893
DEPORTIERT 17.5.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stella Ehrlich , geborene May, die mit ihrem Mann Kurt Ehrlich in der Livländischen Straße 26 wohnte, ist zwischen 1913 und 1933 in Berlin eine wohlbekannte Schauspielerin gewesen, die unter ihrem Künstlernamen Stella Hay auftrat. Sie wurde am 7. Februar 1893 als Tochter eines wohlhabenden Arztes in Wien geboren, wo sie zur Schule und auf die Schauspielschule ging. Die Familie zog bald nach der Jahrhundertwende nach Berlin um.
Schon mit 20 Jahren hatte sie in Berlin ein Engagement am Deutschen Theater unter Max Reinhardt, sie spielte die Titelrolle in Henrik Ibsens Drama Hedda Gabler. Sie war eine beachtete Rezitatorin und gehörte dem Jüdischen Kulturbund an.
Nach ihrer ersten großen Rolle nannte sie später auch ihre 1915 geborene Tochter Hedda. Sie emigrierte 1938 über England in die USA und stand mit der Mutter, die zu dieser Zeit in einer Fabrik arbeiten musste, bis 1941 in Korrespondenz.
1965 gelang es Hedda Ehrlich nach zähen Verhandlungen, über die United Restitution Organization ihren Antrag auf Entschädigung durchzusetzen. Es ging, wie das damals offiziell genannt wurde, um „Schaden an Freiheit“ und „Berufsschaden“. Schließlich erhielt sie 19.160 DM für ihre Mutter und eine ähnliche Summe für ihren Vater Kurt.

Kurt Ehrlich, geboren am 20. März 1883 in Frankfurt/Oder, war ein vermögender Kaufmann, der eine Kohlengroßhandlung mit mehreren Niederlassungen in Berlin leitete. Die Familie wohnte in einer geräumigen 8-Zimmer-Wohnung in der Bleibtreustraße mit mehreren Bediensteten, großem Auto und Chauffeur. Die Wohnung war luxuriös ausgestattet, Kurt und Stella Ehrlich besaßen wertvolle Bilder bekannter Künstler.
Nach 1933 verliefen die Geschäfte zunehmend schlechter, weil jüdische Unternehmen boykottiert wurden. Kurt Ehrlich musste sein Geschäft am Westhafen aufgeben, seine Frau Stella hatte Auftrittsverbot. Sie mussten sich in ein bescheideneres Umfeld in die Livländische Straße 26 zurückziehen, wo sie bei der Familie Kreutzberger (über die nichts weiter bekannt ist) zur Untermiete wohnten. Er hatte im Haus ein kleines Verkaufsbüro.
Das Ehepaar Ehrlich wurde im Alter von 60 und 50 Jahren mit dem „38. Osttransport” am 17. Mai 1943 vom Gleis 69 am Güterbahnhof Putlitzstraße in Moabit mit insgesamt 395 jüdischen Berlinern nach Auschwitz deportiert.

Recherche: Renate Graf, Text: Helmut Lölhöffel

Stolperstein Franziska Richter, Foto: F. Siebold, 2013

Stolperstein Franziska Richter, Foto: F. Siebold, 2013

HIER WOHNTE
FRANZISKA RICHTER
GEB. RICHTER
JG. 1855
DEPORTIERT 14.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 21.9.1942

Franziska Richter ist am 28. Februar 1855 in Groß Strehlitz geboren. Die Familie Richter lebte ab 1931 in der Livländischen Straße 26, die Großmutter, Franziska Richter, hatte dort ein Zimmer. 1941 zog die alte Dame ins Jüdische Altersheim an der Altonaer Straße 4. Am 14. Juli 1942 ist sie nach Theresienstadt deportiert worden und am 21. November 1942 im Alter von 87 Jahren ums Leben gekommen.

Franziska Richter war mit Benno Richter verheiratet gewesen, der schon 1928 starb. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor: Otto Ludwig Richter, gestorben 1940, und Max Moritz Richter, 1941 deportiert. Max Richter hinterließ zwei Söhne, die zusammen mit der Enkelin Ursula Grünberger geb. Richter 1958 Antrag auf Entschädigung stellten. Es wurden 6 450 DM bewilligt – eine Summe, mit der das nicht annähernd gutgemacht werden konnte, was Franziska Richter angetan wurde.

Stolperstein Joachim Latz

Stolperstein Joachim Latz

HIER WOHNTE
JOACHIM LATZ
JG. 1864
DEPORTIERT 8.9.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Joachim Latz ist am 22. April 1864 in Posen (Poznan/Polen) geboren. Verheiratet war er mit Jenny Latz, geboren am 21. Januar 1873 in Miloslaw (Polen). Sie starb 1942 im Jüdischen Krankenhaus Berlin. Sie hatten zwei Töchter: Anna, geboren am 12. März 1896, verheiratete Stein, und Hertha, geboren am 11. Mai 1907, verheiratete Holland. Beide hatten aus Deutschland flüchten können und lebten bis zu ihrem Tod in London.

Joachim Latz war Kaufmann und bis 1921 Seniorpartner der Lederfabrik „Julius Latz Posen“ (gegründet 1817), die vor allem in den Provinzen Posen, Schlesien und Westpreußen tätig war. 1921 ließ sich das Ehepaar Latz mit den beiden Töchtern in Berlin nieder. Er baute in Berlin ein Engrosgeschäft in Leder- und Sattlerwaren auf. Das Geschäft lief sehr gut, die Familie wurde vermögend und bewohnte eine große Wohnung mit Mahagonimöbeln, wertvollen Teppichen und Bildern. Herr Latz besaß einen Nerzmantel mit Otterkragen, seine Frau einen Sealmantel, den sie aber wegen häufiger Krankheiten selten tragen konnte.

Der letzte Wohnsitz war laut Akte Paulstraße 32, möglicherweise musste die Familie die Wohnung verlassen und in eine kleine Wohnung in der Livländischen Straße 26 ziehen. Von hier wurde Joachim Latz am 8. September 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Das Todesdatum war der 29. September 1942, wie der Opferdatenbank des Ghettos Theresienstadt zu entnehmen ist.

1952 stellte Anna Stein geb. Latz einen Antrag auf Entschädigung.
Für die Lagerhaft ihres Vaters (13 Monate und 11 Tage) wurden 1 950 DM angesetzt, für den Schaden am Leben erhielten die Töchter 4 500 DM.
Als Entschädigung für den Verlust der wertvollen Wohnungseinrichtung, die beschlagnahmt und verkauft wurde, und des Wertpapiervermögens, das eingezogen wurde und – wie es damals hieß – „dem Deutschen Reich verfallen“ war, wurden
6 000 DM bewilligt.

Recherchen: Renate Graf