Stolpersteine Uhlandstraße 155

Hauseingang Uhlandstr. 155

Diese Stolpersteine für Max und Emmy Goldmann, Anna Lewy und Alfons Riess wurden am 21.9.2013 verlegt.

Der Stolperstein für Ella Wachsmann wurde am 12.11.2013, der für Edgar Wachsmann am 21.3.2014 verlegt. Spender waren Michael Dror (Herzlia/Israel), Uri and Marco Breit (Milano/Italien) und Alisah Ben Ghiat (Kiriat Bialik/Israel).

Stolperstein Max Goldmann

HIER WOHNTE
MAX GOLDMANN
JG. 1873
DEPORTIERT 10.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Max Goldmann ist am 23. September 1873 in Berlin geboren. Mit seiner Ehefrau Emmy wohnte er in der Uhlandstraße 155. Im Adressbuch war er als Ingenieur verzeichnet.

Vor der Deportation musste er zusammen mit seiner Frau in die Trautenaustraße 20 umziehen. Gemeinsam wurden sie dann in die Sammelstelle Große Hamburger Straße 26 und von dort am 10. Juli 1942 mit 100 Menschen nach Theresienstadt gebracht. Aus Theresienstadt fuhren sie dann am 16. Mai 1944 mit einem riesigen Transport ins Vernichtungslager Auschwitz, wo beide ermordet worden sind.

Stolperstein Emmy Goldmann

HIER WOHNTE
EMMY GOLDMANN
GEB. LAHNSTEIN
JG. 1880
DEPORTIERT 10.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Emmy Goldmann geb. Lahnstein ist geboren am 14. Mai 1880 in Frankfurt am Main. Sie war mit dem Ingenieur Max Goldmann verheiratet.

Beide Eheleute wurden zwangsweise in die Trautenaustraße 20 umquartiert, bevor sie deportiert wurden. Zunächst mussten sie sich in der Sammelstelle Große Hamburger Straße 26 registrieren lassen. Dann wurden sie vom Anhalter Bahnhof in einem von zwei mit 100 Leuten besetzten Zugwaggons nach Theresienstadt gebracht. Am 16. Mai 1944 sind sie dann nach Auschwitz gefahren worden, wo sie ermordet wurden.

Stolperstein Anna Lewy

HIER WOHNTE
ANNA LEWY
GEB. HIRSCH
JG. 1860
DEPORTIERT 20.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 1.3.1943

Anna Lewy geb. Hirsch ist am 16. August 1860 in Dobsch (Dobrcz) bei Bromberg geboren. In der Familie wurde sie Johanna genannt.

Anna und Gustav Lewy

Sie war mit Gustav Lewy verheiratet, der 1929 verstarb. Anfänglich lebten sie in Kattowitz, wo Gustav hochwertige Möbel herstellte. Das Ehepaar hatte zwei Söhne und drei Töchter, Hugo, Julius, Meta, Ella und Edith. Nur Meta gelang es, nach Palästina auszuwandern, alle anderen Geschwister kamen in der Schoah ums Leben. Anna Lewy lebte mit ihrer Tochter Ella zusammen in der Uhlandstraße 155. Deportiert wurde sie am 20. August 1942 vom Anhalter Bahnhof nach
Theresienstadt, wo die schon 82-jährige alte Frau im Gebäude L 410 in Zimmer 110 untergebracht war. Ihr Todesdatum war der 1. März 1943, Todesort war das Ghetto Theresienstadt. Der mit vier Unterschriften versehene Totenschein, auf dem „Altersschwäche“ als Todesursache angegeben wurde, ist dort aufbewahrt.

Texte: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf mit Ergänzungen von Uri Breit.
Foto von Uri Breit

Born in Dobsch 16/8/1860 she was married to Gustav Lewy who passed in 1929.They were initially living in Kattowitz, then in Preussen now in Poland.
Gustav had a manufacturing of high level furnitures and Ruth remembers he had a kart with horses.
They had 2 sons and 3 daughters: Hugo, Julius, Meta, Ella, Edith.
Meta succeeded to migrate to Palestine, all the others perished in the Shoa.
Johanna was living in Berlin Wilmersdorf, Uhlandstrasse 155. It was and still is a very nice area. In 1943 also her daughter Ella was living with her.
She was deported to Theresienstadt with the Altertrasport 98 on 22/11/1943 and perished there.

Stolperstein Alfons Riess

HIER WOHNTE
ALFONS RIESS
JG. 1880
GEDEMÜTIGT/ ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
28.9.1941

Alfons Riess ist am 15. November 1880 in Breslau geboren. Seine Eltern waren Moritz Riess, der eine Likör-Destille schon in Breslau hatte, und Fanny geb. Friedländer. Alfons hatte eine Schwester Marie, die nach ihrer Heirat Lappe hieß, und einen Bruder Fritz.

Sein Studium der Rechtswissenschaften in Breslau und Heidelberg schloss mit einer Dissertation ab. Er war Doktor rer.pol., den Titel erwarb er mit 22 Jahren 1902 an der Universität Breslau. Seine 42-seitige Dissertation schrieb er zur „Mitwirkung des Bundesrats und des Reichstags bei Abschluss und Inkraftsetzung von Staatsverträgen des Deutschen Reiches“. Danach arbeitete er an verschiedenen Gerichten in Schlesien.

1907 ging Alfons Riess nach Berlin und war zunächst als „juristischer Hilfsarbeiter“ des Magistrats tätig. 1911 kam ein beachtetes Buch von Riess über “Kommunale Wirtschaftspflege“ heraus, das zu einem Standardwerk wurde. Zu dieser Zeit war Riess in Berlin Magistratsassessor, später wurde er Regierungsrat.

1921 wurde er, der Mitglied der Demokratischen Partei war, auf zwölf Jahre zum Finanzdezernenten und stellvertretenden Bürgermeister des Bezirks Wedding gewählt.
1922 erschien in der Ausgabe 36 der „Abhandlungen aus dem Staats- und Verwaltungsrecht mit Einschluss des Kolonialrechts und des Völkerrechts“ ein Aufsatz, den er gemeinsam mit anderen Autoren verfasst hatte. Riess war auch Mitverfasser eines Buches über den Segelsport.

In der “Vossischen Zeitung” vom 15.11.1930 hieß es zu seinem 50. Geburtstag:

bq. Durch seine großen verwaltungstechnischen Fähigkeiten und nicht zuletzt durch seine konzessionslos-sachliche EinstelIung hat er sich als Republikaner auch parteipolitisch und sozial in dem schwierigen Arbeitsbereich des Bezirksamts Wedding ungefeilte Anerkennung und Beliebtheit errungen.

1932 wurde ihn in seiner Funktion als Stadtrat zum 25jährigen Dienstjubiläum in einer Zeitungsnotiz gratuliert.

Riess war auch in der Jüdischen Gemeinde aktiv. Unter anderem kandidierte er für den Vorstand. Seit 1910 lebte er in Berlin unter verschiedenen Adressen. Im Berliner Telefonbuch von 1930 war Riess als stellvertretender Bürgermeister notiert. Im Jüdischen Adressbuch 1931 war Dr. Alfons Riess als Stadtrat in der Landgrafenstraße 6 aufgeführt. Zur Volkszählung am 17. Mai 1939 war er in Berlin im Stadtbezirk Wilmersdorf in der Uhlandstraße 155 gemeldet. Im Adressbuch 1939 ließ er sich als Stadtrat a.D. eintragen. Sein vom Jüdischen Krankenhaus Berlin-Wedding dokumentiertes Todesdatum war der 28. September 1941, an diesem Tag beendete Alfons Riess sein Leben, indem er mit einer Überdosis Schlafmittel Selbstmord beging.

Die Umstände, warum sich Alfons Riess das Leben nahm, beschrieb sein Bruder
Fritz Riess in einem Brief an die gemeinsame Schwester Maria Lappe am 5.7.1946. Darin berichtete Fritz Riess „über ein dramatisches, schweres Ende“. Die langiährige nicht-jüdische Lebensgefährtin von Alfons Riess, Karoline (Lina) Hagen, soll Lebensmittel gestohlen haben. Dabei wurde sie gestellt, konnte aber noch einmal nach Hause gehen. Dann nahmen beide Schlaftabletten ein. Während Alfons Riess drei Tage später starb, wurde Karoline Hagen nach Aussagen des Bruders in ein anderes Krankenhaus verlegt, „um sie nochmals vernehmungsfähig zu machen“. Sie starb einen Monat später, am 28. Dezember 1941.

Text: Helmut Lölhöffel. Quellen und Literatur: Bundesarchiv, Telefon- und Adressbücher; Alfons Riess: Mitwirkung des Bundesrats und des Reichstags bei Abschluss und Inkraftsetzung von Staatsverträgen des Deutschen Reiches. Breslau, M. & H. Marcus, 1902; Alfons Riess: Kommunale Wirtschaftspflege, 1911 undVerlag Walter de Gruyter 1924; Anna Fischer: Erzwungener Freitod. Spuren und Zeugnisse in den Freitod getriebener Juden der Jahre 1938-1945 in Berlin. Berlin 2007.

Stolperstein Ella Wachsmann

HIER WOHNTE
ELLA WACHSMANN
GEB. LEWY
JG. 1891
DEPORTIERT 1.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Ella Wachsmann, geb. Levy, wurde am 13. November 1891 im oberschlesischen Kattowitz geboren. 1914 heiratete sie Edgar Wachsmann, der Bergbauingenieur war. Ella Wachsmann arbeitete in der eigenen Wohnung und stellte hochwertige Büstenhalter und Korsetts her.
Sie hatten zwei Töchter: Ilse (Ille), die am 19. März 1915 geboren wurde, und Edith (Ditta), die am 1. Dezember 1918 zur Welt kam. Beide wurden im heutigen polnischen Zabrze geboren, das seit 1915 den deutschen Namen Hindenburg trug.
Ilse und Edith gelang es, Nazi-Deutschland zu verlassen; sie emigrierten mit Hilfe der 1933 in Deutschland gegründeten Aliyat Hano’ar nach Palästina. Die Organisation hatte sich zum Ziel gesetzt, jüdischen Kindern und Jugendlichen die Auswanderung nach Palästina zu ermöglichen. Edith gelangte 1935 als Mitglied einer Jugendgruppe dorthin, Ilse im Jahr darauf als Leiterin einer Gruppe.

Ella Wachsmann

1938 gelang es Ella, ihre Töchter in Palästina zu besuchen. Folgt man Ilse, gab es 1940 einen zweiten Besuch, nachdem Michael Dror, Ellas Enkel, geboren wurde. Nach den beiden Reisen kehrte Ella Wachsmann nach Berlin in ihre Wohnung in der Uhlandstraße 155 zurück, wo mittlerweile auch ihre Mutter Johanna lebte.
Ella Wachsmann wurde am 1. März 1943 vom Bahnhof Grunewald nach Auschwitz deportiert und dort zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet.

Stolperstein Edgar Wachsmann

HIER WOHNTE
EDGAR WACHSMANN
JG. 1883
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Das Hotel „Zum Graf Reden“ im oberschlesischen Königshütte, das der Vater von Edgar Wachsmann führte

Edgar Wachsmann stammt aus dem oberschlesischen Laurahütte (heute Siemianowice Śląskie) unweit von Kattowitz (Katowice). Hier wurde er am 12. Juli 1883 als Sohn von Adolf und Ida geb. Brobecker, geboren. Er war das jüngste von sieben Kindern. Zwei der Geschwister starben schon im Kindesalter.
Der Vater führte das Hotel „Zum Grafen Reden“ in der Kattowitzer Straße in Königshütte, das ebenfalls im oberschlesischen Industriegebiet lag.

Die Donnersmarckhütte in Hindenburg, in der Edgar Wachsmann als Ingenieur tätig war.

Später betrieb Adolf Wachsmann ein Restaurant in der Kronprinzenstraße in Hindenburg.
Edgar Wachsmann besuchte die Grundschule in Hindenburg und wechselte dann auf ein Gymnasium in Gleiwitz, das er 1902 mit der Hochschulreife verließ. Anschließend nahm er ein Studium an der Königlich Technischen Hochschule in Charlottenburg auf. Er spezialisierte sich auf die Konstruktion von eisernen Hochbrücken und erhielt 1907 sein Diplom als Ingenieur.
Wachsmann, der auch besondere Fähigkeiten als Mathematiker besaß, kehrte in seine oberschlesische Heimat zurück und begann als Ingenieur bei der Donnersmarckhütte in Hindenburg. Der Besitzer war Graf Henkel von Donnersmarck.

1914 heiratete Edgar Wachsmann Ella, geb. Levy. Die Ehe stand unter keinem guten Stern; sie war unter dem Druck von Ellas Vater Gustav zustandegekommen. Offensichtlich bevorzugte Edgar Wachsmann die Tochter Edith. Seine Tochter Ilse erinnerte sich, dass sie von ihrem Vater oft mit Schmähworten („fett, dumm, faul und gefräßig“) bedacht wurde.
Später zog die Familie nach Berlin.

Edgar Wachsmann war von den antijüdischen Maßnahmen betroffen, als ihm im Juli 1934 gekündigt wurde. Sein Arbeitgeber erklärte den Betrieb nunmehr als „judenrein“. Wachsmann arbeitete für kurze Zeit in Freiburg im Breisgau und war dann in Köln für eine Ingenieurfirma tätig. Herr Abisch, der jüdische Besitzer, wurde 1939 gezwungen, seinen Betrieb zu schließen. Wachsmann ging zurück nach Berlin. Dort wurde er zur Zwangsarbeit verpflichtet, er musste als Gepäckträger auf dem Schlesischen Bahnhof Dienste leisten. Zwei Tage nach seiner Frau, am 3. März 1943, wurde er vom Bahnhof Grunewald nach Auschwitz deportiert. Es ist nicht bekannt, wann er dort ermordet wurde.

Text: Uri Breit (Mailand) und Michael Dror (Israel).
Übersetzung aus dem Englischen: Harald Marpe, Kiezbündnis Klausenerplatz