Stolpersteine Ludwigkirchstraße 11

Hauseingang Ludwigkirchstr. 11

Hauseingang Ludwigkirchstr. 11

Diese Stolpersteine wurden am 21.9.2013 verlegt.

Stolperstein Henreitte Gustava Wolff

Stolperstein Henreitte Gustava Wolff

HIER WOHNTE
HENRIETTE GUSTAVA
WOLFF
GEB. MAYER
DEPORTIERT 6.11.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 7.5.1944

Stolperstein Ernst Ludwig Wolff

Stolperstein Ernst Ludwig Wolff

HIER WOHNTE
ERNST LUDWIG
WOLFF
JG. 1884
DEPORTIERT 6.11.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Wie an so viele ehemalige jüdische Mitbürger erinnern Stolpersteine vor dem Haus, in dem sie zuletzt wohnten, auch an sie:
Ernst Ludwig Wolff und Ehefrau Henriette Gustava geborene Mayer.
Sie wohnten bis zu ihrer Deportation im November 1942 in der Ludwigkirchstraße 11 in Berlin-Wilmersdorf. Das gutbürgerliche große Haus mit Stuckverzierungen, Balkonen und schmiedeeisernem Portal zum Gartenhaus ist erhalten geblieben.

Ernst Ludwig Wolff wurde am 19. Januar 1884 in Berlin geboren, er arbeitete als Rechtsanwalt und Notar, bis ihm aufgrund der Nachfolgeverordnungen zum Reichsbürgergesetz die Ausübung des Berufs verboten wurde. Er fand danach eine Tätigkeit in der Jüdischen Gemeinde in Berlin.
Ernst Ludwig Wolff war in erster Ehe mit der 1923 verstorbenen Margarete Minna Felicia Wolff geborene Unger verheiratet. Seine zweite Ehefrau Henriette Gustava wurde am 2. Juli 1885 in Berlin geboren.
Aus der ersten Ehe gingen zwei Söhne hervor: Heinrich Ludwig Eduard, geboren 1914, und Rudolf Günter Ludwig, geboren 1916.
Sie emigrierten beide 1938 nach Australien.

Wie alle zur Deportation gezwungenen jüdischen Einwohner Berlins mussten auch die Wolffs auf vorgedruckten Formularen, sogenannten Vermögenserklärungen exakt angeben, über welche Bankguthaben und Wertpapiere, über welche Einrichtungsgegenstände und Möbel, über welche Kleidungsstücke sie verfügten.
Man kann diese Dokumente in einschlägigen Archiven einsehen – einschließlich eines Bescheids des Finanzamtes Wilmersdorf-Nord vom 16. März 1943 an die Vermögensverwertungsstelle, in der mitgeteilt wird: „Der Ernst Ludwig Israel Wolff… ist nach meinen Feststellungen evakuiert worden. … Der Genannte schuldet der Finanzkasse … 8,80 RM.“
Die wohl erschütterndste Urkunde unter den eingesehenen Unterlagen ist diese:

Urkunde Ernst Ludwig

Urkunde Ernst Ludwig

Ernst Ludwig Wolff und seine Ehefrau Henriette Gustava wurden am 6. November 1942 nach Theresienstadt deportiert, von dort wurde Ernst Ludwig am 9. Oktober 1944 nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Nach Angaben des Gedenkbuches starb Henriette am 7. Mai 1944 im Getto Theresienstadt. Ihr Sohn Ludwig Eduard bestätigte in dem in Yad Vashem eingereichten Gedenkblatt, dass seine Mutter aufgrund ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung schon im Getto unter den menschenunwürdigen Bedingungen verstarb.

Recherche und Text: Elisabet Hämer
Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945
Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz
Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de
Yad Vashem Opferdatenbank

A Page of Testimony

A Page of Testimony

Stolperstein Hans Rudolf Growald

Stolperstein Hans Rudolf Growald

HIER WOHNTE
HANS RUDOLF
GROWALD
JG. 1902
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
1942 CHELMNO / KULMHOF
ERMORDET

Stolperstein Edith Growald

Stolperstein Edith Growald

HIER WOHNTE
EDITH GROWALD
GEB. BAUMGARTEN
JG. 1904
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
1942 CHELMNO / KULMHOF
ERMORDET

Edith und Hans Rudolf Growald

Das Haus steht noch, solide bürgerlich wie etliche Häuser in dieser Gegend, große Balkons zur Straßenfront, heller Innenhof, Gartenhaus: Ludwigkirchstraße 11, zwischen Fasanenplatz und Uhlandstraße.

Hier wohnte von 1934 bis 1941 das Ehepaar Hans Rudolf Growald, geboren am 13. April 1902 in Berlin und Edith Growald, geb. Baumgarten, geboren am 29. Dezember 1904, auch in Berlin.

Hans Rudolf Growald war Graphiker, er arbeitete als Reklamezeichner und Karikaturist unter dem Künstlernamen Rudo; Edith Growald war als Modezeichnerin tätig. Sie hatten einen Sohn, Ernst, der 1926 geboren wurde.

Ernst Growald, gezeichnet von Paul Haase

Vor dem Haus in der Ludwigkirchstraße sind zwei Stolpersteine im Andenken an Hans Rudolf und Edith Growald in das Pflaster des Bürgersteigs eingelassen. Am 18. Oktober 1941 wurde das Ehepaar in das Ghetto Litzmannstadt (heute Lόdź) und von dort am 13. Mai 1942 in das Vernichtungslager Kulmhof (heute Chelmno) deportiert.

Wenn wir heute mehr als die Daten der Geburt und des furchtbaren Todes dieser beiden Menschen wissen, so verdanken wir das dem Sohn Ernst Growald. Er schrieb einen Antwortbrief an “Berlin aktuell”, eine Publikation des Berliner Senats, die halbjährlich erscheint und seit etwa 40 Jahren an ehemalige Berliner Bürger verschickt wird, die während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland aus Berlin vertrieben wurden.

In diesem Brief von 2007 bezieht sich Ernst Growald auf eine vorhergehende Veröffentlichung, die von Wannsee handelte. Er schreibt:

bq. „Von wegen Wannsee wäre es auch berechtigt zu erwähnen, dass es dort eine jüdische Schule für Taubstumme gab, die als eine der besten der Welt anerkannt war. Einer der Schüler war auch mein Vater, der Zeichner Hans Rudolf Growald. Meine Eltern, so wie auch die meisten anderen jüdischen Taubstummen, viele aus derselben Schule und in unserem Freundeskreis, konnten die drohende Gefahr, in der sie sich befanden, sehr gut erkennen. Der Beweis ist, dass mich meine Eltern per Kindertransport nach England schickten und mir dadurch das Leben gerettet haben. Aber sie erlitten ein doppeltes Unglück, einerseits die Verfolgung der Nazis, anderseits die enttäuschenden Ablehnungen sämtlicher Länder, einem Taubstummen ein Einreisevisum zu genehmigen! Meine sehr gut hörende Mutter, Edith Growald, geb. Baumgarten, hätte möglicherweise auswandern können, jedoch zog sie es vor, in treuer Liebe, an der Seite von ihrem Mann zu bleiben, bis beide zusammen ihrem grausamen Tod in Lodz begegneten.
Hier muss ich erwähnen, dass die Eltern meiner Frau, Robert und Maria Kohn, geb. Glaser aus Wien, ihre Tochter Lily, mit der ich schon seit über 60 Jahren glücklich verheiratet bin, ebenfalls per Kindertransport nach England geschickt haben und denselben grausamen Tod wie meine Eltern erlitten haben, in ihrem Fall in Minsk. So sind unsere drei Kinder die Enkel von vier ermordeten Großeltern! Es ist sehr zu befürchten, dass der größte Teil der Eltern, dessen Kinder per Kindertransport gerettet wurden, sich nie wieder mit ihren Kindern getroffen hat, weil die meisten Eltern ebenso umgebracht wurden.
Ich wünsche den heutigen Deutschen nichts schlechtes, nur – weder darf, noch kann dieser schreckliche Schandfleck in der Deutschen Geschichte jemals ausgewischt werden!

Die Israelitische Taubstummenanstalt hatte ihren Sitz allerdings nicht in Berlin-Wannsee, sondern in Berlin – Weißensee – nach Jahrzehnten fern von Berlin kann es zu solch einer Verwechslung der Stadtteile natürlich kommen.
Hans Rudolf Growald schrieb und zeichnete in den 20er und 30er Jahren für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, auch für Veröffentlichungen der Jüdischen Gemeinde in Berlin; besonders kunstvoll und teilweise bis heute erhalten sind seine zeichnerischen Ausgestaltungen der Bücher seines Vaters, Ernst Growald.

Der Großvater wurde 1867 im heutigen Polen geboren und lebte seit 1896 in Berlin. Bereits um die Jahrhundertwende wurde er zum Initiator einer neuartigen Reklamekunst. Bis heute gelten seine Sachbücher zu Qualität und Werbewirkung von Plakaten bei Kennern und Experten dieses Fachs als richtungweisend, noch immer ist einer seiner Leitsätze aus dem Jahr 1910: “Erzähle auf den Plakaten keinen Roman, denn niemand will sich auf der Straße kalte Füße holen.” Motto für Plakatausstellungen.

Enkel Ernst Growald in Sao Paulo kann sich an den Großvater noch erinnern. Heute ist er selbst Großvater. Er konnte überleben und die Familie Growald weiterführen. Sohn André ist Psychoanalytiker und Jazzmusiker, Sohn Robert Ingenieur, beide leben in Brasilien, Tochter Debora ist Konzertpianistin und lebt in Paris. Und in drei Enkelkindern lebt der Name Growald weiter.

Text von Elisabet Hähmer nach Angaben von Familienmitgliedern, Bilder von Privat.