Stolpersteine Hagenstraße 19

Hausansicht Hagenstr. 19

Hausansicht Hagenstr. 19

Diese Stolpersteine wurden am 2.7.2014 verlegt.
Anwesend waren die Urenkelinnen Josie Dobrin, Louise Dobrin (London) und Caroline Dobrin-Benaquen (Montpellier), der Enkel des Bruders Isidor, Jeremy Cohn mit seiner Frau Helen (Jerusalem), drei Neffen: Elny, Eitan und Gavrial Cohn (London) und die Frau des Enkels Michael, Barbara Dobrin (London). Der heutige Hauseigentümer Wolfgang Burat sowie Hausbewohner und Gäste nahmen an der Verlegung und am Gedenken teil.

Aus diesem Anlass haben Barbara und Alexandra Scholz (Berlin) den Nachkommen von Moritz und Helene Dobrin einen silbernen Löffel aus Dobrin’s Konditorei zurückgegeben, der sich seit den 1930er Jahren im Haushalt der Familie befunden hatte. Dieser Löffel wird jetzt in London verwahrt.

Stolperstein Moritz Dobrin

Stolperstein Moritz Dobrin

HIER WOHNTE
MORITZ DOBRIN
JG. 1872
DEPORTIERT 5.8.1942
THERESIENSTADT
1945 FREIHEITSTRANSPORT
SCHWEIZ
ÜBERLEBT

Stolperstein Helene Dobrin

Stolperstein Helene Dobrin

HIER WOHNTE
HELENE DOBRIN
GEB. LEISER
JG. 1878
DEPORTIERT 5.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 14.4.1944

Ehepaar Dobrin, Familienarchiv Dobrin

Ehepaar Dobrin, Familienarchiv Dobrin

Moritz Dobrin wurde am 2. Februar 1872 in Schlochau (Westpreußen) geboren. Seine Eltern hießen Philip, der Pferdehändler war, und Minna, geb. Totenkopf, die sieben Kinder hatten. Verheiratet war er mit Helene Dobrin , geb. Leiser, die am 18. August 1878 in Leipzig geboren ist, „einer wunderhübschen, blauäugigen Frau“, die „Leni“ genannt wurde, wie in der Familie überliefert ist. Sie bekamen drei Kinder: Lily, Ruth und Max, der 1911 geboren ist und Josie Dobrins Großvater ist.

Moritz Dobrin war im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet und worden und dachte, er bliebe von der Judenverfolgung unberührt. Wie sein Bruder Isidor war er in der Jüdischen Gemeinde aktiv. Sie gehörten zu den Gründungsmitgliedern der Synagoge in Grunewald und waren Vorstandsmitglieder des Jüdischen Altersheims in der Berkaer Straße in Grunewald. Beide waren Bäcker und Konditoren, Moritz besaß mehrere Geschäfte (das erste hatte er schon 1896 eröffnet). Seine sechs Cafés, darunter eins am Kurfürstendamm 202, waren elegant eingerichtet und bei der Berliner Bevölkerung sehr beliebt. 1919 kauften sie in der Hagenstraße in Grunewald eine schmucke Villa, die vorher den Charlottenburger Buchhändlern Tränkel gehört hatte.

Adressbucheintrag Dobrin, 1938

Adressbucheintrag Dobrin, 1938

Im Adressbuch 1938 stand unter dem Namen Dobrin:

Bis 1940 gehörte der riesige Garten des Nachbargrundstücks 21 dazu. Zeitweise wohnte ein Gärtner namens Oskar Pallas im heute noch existierenden Gärtnerhäuschen. 1940 war als weiterer Hausbewohner Paul Eduard Pihl verzeichnet, von Beruf Kapitän. Aus dem Bewohnerverzeichnis der Hagenstraße 19 und 21 von 1940:

p(. 19 E Dobrin,M. Konditoreibes. T.

p(. Pihl, P.E , Kapitän.

p(. 21 Garten geh. zu Nr. 19

Dieses Haus befand sich in der Nähe der Villa des SS- und Polizei-Chefs Heinrich Himmler, eines der Hauptverantwortlichen für den Holocaust. Nach 1938, nachdem in der Pogromnacht die Geschäfte zerstört und ihnen das Vermögen größtenteils entzogen worden waren, mussten sie ihr Haus verkaufen und zogen zu seinem Bruder Isidor und dessen Frau Rosalie in die Koenigsallee 34 A.
Im Adressbuch 1940 war unter dem Namen Dobrin eingetragen:

p(. —Moritz Israel Bäckermstr. Grunewald Königsallee 34a T.

Juden mussten, um als solche erkennbar zu sein, den Zusatzvornamen „Israel“ führen, Frauen den Namen „Sara“.

Der Sohn Max hatte schon in den 1930er Jahren nach London flüchten können, wo er mit seiner Frau Ida zwei Söhne hatte: Michael und Tony.

Moritz und Helene Dobrin wurden am 5. August 1942 vom knapp einen Kilometer entfernten Bahnhof Grunewald ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Helene Dobrin ist dort am 14. April 1944 an den grauenvollen Daseinsumständen im Ghetto ums Leben gekommen. Moritz Dobrin arbeitete in der Bäckerei und hatte Zugang zu Brot, konnte aber seine Frau aber nicht versorgen. Er war schließlich unter den 1200 Glücklichen, die mit einem geheimen Sondertransport aus Theresienstadt am 3. Februar 1945 in die Schweiz gelangten. Er ging zu seinem Sohn Max und ist am 23. Mai 1951 in London gestorben.

Weitere Informationen zu den Stolpersteinen für Isidor und Rosalie Dobrin; sie liegen an der Koenigsallee 34/34A .

Löffel aus der Konditorei Dobrin

Löffel aus der Konditorei Dobrin

Zur Geschichte des Löffels aus der Konditorei Dobrin siehe
http://www.tagesspiegel.de/berlin/neue-stolpersteine-in-grunewald-der-loeffel-des-konditors/10141872.html

Text: Helmut Lölhöffel aufgrund der Recherchen und Berichte von Josie Dobrin und Jeremy M. Cohn

Löffel aus der Konditorei Dobrin, Gesamtansicht

Löffel aus der Konditorei Dobrin, Gesamtansicht

Text: Helmut Lölhöffel aufgrund der Recherchen und Berichte von Josie Dobrin und Jeremy M. Cohn

Josie Dobrin, eine der Urenkelinnen von Moritz und Helene Dobrin, hielt im Namen der Familie nach der Verlegung der Stolpersteine diese Ansprache:

bq. I am Josie and I have come here with my sister Louise from England and my other sister Caroline from France. Our grandparents, Moritz and Helena Dobrin, lived here from 1919 until the late 1930s.
Helena Leiser was born in Leipzig in August 1878. She met Moritz, who was to become her husband, whilst purchasing a tie.
She was said to have been a super sales lady with a good business sense. Our grandmother (her daughter in law) remembered how she was “a very beautiful woman with blue eyes”. She remembered her wearing at one party “a beautiful yellow velvet dress with mink around the bottom”.
Moritz was born in 1872. He was the son of Phillip – a horse dealer – from Slochow in East Prussia, and Minna Totenkopf. He was one of seven children; Cecilia, Wolf, Diver, Marie, Herman and Isidor (whose grandson and great grandsons are also here today).
Moritz married Helena, or “Leni” as she was known, and they had three children; Lily, Ruth and our grandfather Max. Max married Ida and they had two sons; Tony and Michael (our father). Our father passed away seven years ago and would have loved to have been here with us today.
Moritz was a baker, a “konditor” and opened his first business in 1896. He owned six cafes in total including his flagship café’s on Lennestraβe 1 (which opened in 1926) and one on the Kurfustendamm.
The cafes were central to Berlin life and are mentioned in much literature from that time. They were beautiful establishments, which used the finest ingredients. We are lucky enough to have some wonderful photos of them and now – thanks to Alexandra – a spoon from Moritz Dobrin’s café.
Moritz (and his brother Isidor) were founding members of the Synagogue in Grunewald and on the Board of the Jewish Old Age Home. Moritz was also on the Board of the Jewish Deaf and Dumb Association.
Moritz’s cafes were destroyed on Kristallnacht in 1938, but he continued to trade. He had served in the Army and had been awarded an Iron Cross First Class, so he thought they would be spared. He even visited his son Max in London in 1937 but afterward went back to Berlin.
In August 1942, Moritz and Helena were deported from Grunewald to Theresienstadt. Moritz worked in a bakery there so had access to food. But sadly he was not able to get food to his wife Helena and she died there in 1944.
A few months after she died, in a freak gesture, Himmler allowed some 1200 Jews to be released from Theresienstadt to Switzerland. Moritz was one of these lucky few.
He moved to London after the War and got to know his grandsons. He was at our father’s Bar Mitzvah in 1950 and died a year later in 1951.
We are so grateful to you Alexandra for initiating today and to you Mr Lolhoffel for organising.
On behalf of all the Dobrins, we thank you for helping us to honour the memory of Moritz and Helena.
We know they suffered hardship in their lives but hope that they would be happy and proud, that through us, their legacy lives on.

  • Zeitungsartikel der Ostschweiz am Sonntag "Von der KZ-Hölle in die sichere Ostschweiz: Wie Nummer 178 überlebte"

    PDF-Dokument (1.2 MB)

  • Artikel der Neue Zürcher Zeitung: "Die freigekauften Juden aus Theresienstadt"

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