Stolperstein Bleibtreustraße 12

Der Stolperstein wurde gespendet von Helmut Rosenthal, dem Schwiegersohn von Elisabeth Krüger und Ehemann von deren Tochter Anneliese, und am 21.4.2016 verlegt. Bei der Verlegung waren er, seine Söhne Martin und Wieland Rosenthal sowie Susanne Kind, Tochter von Gertrud Krüger, ihr Ehemann Rudolf Kind und Hansjürgen Kreft, Ehemann von Marianne Kreft geb. Krüger, Tochter von Gertrud Krüger, anwesend.

Stolperstein Anna Elisabeth Krüger

HIER WOHNTE
ANNA ELISABETH
KRÜGER
JG. 1892
EINGEWIESEN
HEILANSTALT
LANDSBERG A. D. WARTHE
ERMORDET 28.6.1942

Hochzeitsfoto von Elisabeth und Fritz Krüger, 1917

Elisabeth Krüger geb. Dehmel ist am 27. Juli 1892 in Jakobskirch (Kreis Glogau, Schlesien) geboren. Sie heiratete 1917 den Schuhmacher Fritz Krüger, geboren am 3. Juni 1887 in Berlin, der seine Werkstatt jahrelang in der Bleibtreustraße 18 hatte. In diesem Haus wohnte das Ehepaar auch. Sie hatten zwei Töchter, Gertrud, geboren 1920, und Anneliese, geboren 1924.

Elisabeth Krüger, in der Mitte sitzend, hinten links Tochter Anneliese, hinten rechts Tochter Gertrud, 1934 oder 1935.

Elisabeth Krüger, in der Mitte sitzend, hinten links Tochter Anneliese, hinten rechts Tochter Gertrud, 1934 oder 1935.

Ende der 1930-er Jahre kam Elisabeth Krüger in eine Heilstätte, weil sie „schwermütig“ war. Es liegen keine weiteren Informationen dazu vor. Heute würde man vielleicht sagen, dass sie dement oder depressiv war. Wahrscheinlich hatte auch die NS-Zeit Einfluss auf ihre Krankheit. In der Bleibtreustraße und in den angrenzenden Straßen (Mommsen-, Schlüter- und Wielandstraße) wohnten viele jüdische Nachbarn, die zu den Kunden ihres Mannes gehörten. Sie ließen sich von Fritz Geld und Schmuck in die Sohlen und Absätze ihrer Schuhe einarbeiten, um diese Werte vor den Nazis zu retten. Die Notlage jüdischer Nachbarn hat Elisabeth mitbekommen. Nach Ausbruch ihrer Krankheit konnte sie nicht mehr allein in ihrer Wohnung bleiben, während ihr Ehemann in seiner Schuhmacherei arbeitete. Vor ihrer Erkrankung hatte sie auch in der Werkstatt geholfen.

Fritz Krügers Schwiegersohn erinnert sich, dass er „ein Linker“ war. Jeden Morgen um 7 Uhr trafen sich einige Männer, die Nazi-Gegner waren, bei einem benachbarten Bäcker, um Nachrichten und Informationen auszutauschen. Krüger hängte die Hakenkreuzfahne so eingerollt aus dem Fenster, dass nur die rote Farbe zu sehen war. 1941/42 wurde das Gebäude jedoch Ziel eines Luftangriffs, die Ausgebombten mussten in die Bleibtreustraße 12 umziehen.

Eines Tages wurde Elisabeth Krüger aus den Heilstätten Berlin-Buch in das Heil- und Pflegeheim Landsberg/Warthe (heute in Polen) gebracht. Dort ist sie am 28. Juni 1942 ums Leben gebracht worden. Sie war eines der Opfer des Euthanasie-Programms der Nationalsozialisten, dem mehr als 70 000 körperlich und geistig behinderte Menschen zum Opfer fielen.

Auch seine zweite Werkstatt wurde noch im April 1945 getroffen. Fritz machte aber nach Kriegsende wieder seine Werkstatt in der Bleibtreustraße auf und arbeitete dort bis Ende der 1950-er Jahre. Er war nicht nur ein guter Schuhmacher. Er liebte Musik. Er hatte eine Konzertzither, auf der er in der Freizeit und bei Familientreffen spielte. Er lehnte Kirche und staatliche Willkür ab. Wie seine Frau Elisabeth war auch er „religionslos“. Sein Vorbild war Giordano Bruno, der 1600 in Rom als Ketzer verbrannt wurde.

Fritz Krüger hat die Nazizeit überlebt, heiratete wieder und ist 1964 in Berlin gestorben.

Text: Hansjürgen Kreft, Schwiegersohn von Gertrud Krüger. Ergänzungen nach Informationen von Helmut Rosenthal, Schwiegersohn von Elisabeth Krüger.