Stolperstein Mommsenstraße 51

Hausansicht Mommsenstr. 51

Dieser Stolperstein wurde auf Wunsch der Enkelin Barbara E. Solan (USA) am 10.5.2017 an der Adresse Mommsenstraße 51 verlegt, wo Ida Philippson einst lebte. Das Vorderhaus wurde zerstört, an dieser Stelle befindet sich jetzt ein Parkplatz. Der rechte Seitenflügel und das Hinterhaus sind noch vorhanden.

Stolperstein Ida Martha Philippson

HIER WOHNTE
IDA MARTHA
PHILIPPSON
GEB. TOBIAS
JG. 1874
DEPORTIERT 20.11.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 9.12.1942

Ida Martha Philippson geb. Tobias ist am 13. Februar 1874 geboren. Ihr Vater hieß Theodor Tobias, ihre Mutter Emilie, geb. Leon. Der Vater ist vor der Geburt in Russland gestorben. Er war Pelzhändler, seine Frau führte einen Laden.

Ida Martha Tobias hat Julius Philippson geheiratet. Sie hatten drei Kinder: Theodor Jacob Hermann, geboren am 10. August 1897, Marie Louise (Mima), geboren am 17. Mai 1903, und Anne Leonie, geboren am 7. Dezember 1911.

Die Familie lebte in der Mommsenstraße 51, das Haus steht heute nicht mehr. Die Ehe war glücklich. Wie damals üblich, blieb Ida zu Hause und kümmerte sich um die Kinder. Sie war eine zierliche Person, aber hat die Familie wunderbar zusammen gehalten, obwohl sie jung verwitwet war: Als Ida 38 Jahre alt war, starb ihr Mann an Krebs. Theo war 14, Mima 9 und Anne ein Baby von sechs Monaten.

Anne sowie Theo mit seiner Frau Marianne ist es gelungen, vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach England zu flüchten. 1944 kam in London deren Tochter Barbara zur Welt. Jedoch hatte Idas Tochter Mima hatte dieses Glück nicht. Ihr Mann, Leon Rajcyn, ein Russe, den sie an der Universität in Berlin kennen gelernt hatte, hatte Familie in Paris. Nach der Hochzeit in Berlin wohnten sie in Paris, wo ihre im Juni 1937 ihre Tochter Juliane Emilie geboren ist. Alle drei wurden im Juli 1942 aufgegriffen und zum Velodrome d’Hiver gebracht. Dort sind sie voneinander getrennt worden. Die Eltern wurden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Was mit dem Mädchen von sechs Jahren geschah, ist unbekannt.

Es ist sicherlich zu hoffen, dass Ida Martha Philippson nicht gewusst hat, was mit ihrer Tochter und Familie geschehen war. Am 20. November 1942 wurde sie selbst vom Anhalter Bahnhof in Berlin zum Ghetto Theresienstadt deportiert.

Die in den Vereinigten Staaten lebende Enkeltochter Barbara Solan besitzt Briefe, die ihre Großmutter aus Berlin ihrem Sohn in London geschrieben hat. Zwei enden mit “… bis zum glücklichem Wiedersehen” und “Dann soll uns unsere Liebe die Kraft geben auch diese Zeit zu überwinden bis zu einem endlichen Wiedersehen!” Auf dem Briefumschlag von 1939 steht die Adresse Bregenzer Straße 14, auch eine Postkarte hat diesen Absender. Zuletzt war Ida Philippson zwangsweise in die Uhlandstraße 43 eingewiesen worden.

Theodor und Anne hatten sich bemüht, ihrer Mutter zum Verlassen Deutschlands zu verhelfen. Sie wandten sich an das Rote Kreuz und auch an amerikanische und jüdische Stellen, aber erfolglos. „Die beiden haben ihre Mutter enorm geliebt. Als Kind war ich immer traurig, dass ich meine Großmutter nicht gekannt habe“, erinnert sich die Enkelin.

Ihr fünfjähriger Enkel heißt mit Vornamen Tobias. „Wäre seine Ur-Urgroßmutter noch am Leben (mit 143 Jahren!), dann würde sie Großmutter für meine Cousine Juliana in Paris sowie für mich sein. Außerdem wäre sie Urgroßmutter meiner zwei Kinder und Ur-Urgroßmutter für meine fünf Enkelkinder. Nach mehr als siebzig Jahren und drei Generationen hat sich die Familie endgültig erholt und verjüngt“, schrieb sie Anfang 2017.

Text: Barbara E. Solan geb. Philippson