Stolperstein Wielandstraße 34

Hausansicht Wielandstr. 34

Dieser Stolperstein wurde am 07.06.2017 verlegt.

Hedwig Katzky

Hedwig Katzky

Stolperstein Hedwig Katzky

HIER WOHNTE
HEDWIG KATZKY
GEB. SCHLESINGER
JG. 1879
DEPORTIERT 13.1.1942
RIGA
ERMORDET

Hedwig Katzky war eine Tochter des Kaufmannes Wilhelm Schlesinger und seiner Frau Regina geb. Fuchs. Sie wurde am 22. August 1879 in Lublinitz (poln. Lubliniec) in Oberschlesien geboren. Ihre Schwester Margarete kam 1886 in Landsberg a.d. Warthe zur Welt, also war die Familie inzwischen dorthin gezogen. Über Hedwigs Kindheit und Jugend wissen wir sonst nichts. 1909, dem Jahr, in dem Hedwig heiratete, wohnte sie mit ihren Eltern in Oppeln, Karlsstraße 11. Der Bräutigam war der fünf Jahre ältere Adolf Katzky aus Guben; die Hochzeit fand in Oppeln statt. Adolf, 1874 in Berlin als Sohn eines Schuhmachers geboren, bezeichnete sich als Kaufmann. Spätestens ab 1903 lebte er in Guben.

Das Paar wohnte fortan in Guben, zunächst in der Hospitalgasse 50. Dort kamen ihre zwei Kinder, Walter und Ilse, 1910 und 1912 zur Welt. Die Familie zog dann in eine vermutlich größere Wohnung in der Alten Poststraße 48. Das Haus gehörte der Tuchfabrik Reiss, Wohl & Co., bei der Adolf Katzky Prokurist war. 1930 nannte er sich im Adressbuch Fabrikdirektor und war anscheinend recht wohlhabend, denn er besaß mehrere Grundstücke und Hypothekenbriefe.

Kurz nach der Machtübertragung an Hitler, am 28. März 1933, starb Adolf Katzky. Seine Witwe erbte das Grundstück mit Mietshaus in der Gubener Wilhelmstraße 3 mit sechs Mietparteien und mindestens zwei Hypothekenbriefe. Ein weiteres Wohnhaus in der Eichholzstraße 47/48 erbte Sohn Walter. Hedwig und Ilse konnten in der Alten Poststraße 48 bleiben, bezogen aber dort eine kleinere Wohnung. Erst als 1939 die Firma Reissner, Wohl und Co „arisiert“ wurde, mussten sie ausziehen.

Walter, der Tuchmacher gelernt hatte und bis 1936 in diesem Beruf arbeitete, sah unter dem NS-Regime keine Zukunft mehr für sich in Guben und emigrierte im August 1936 nach Südafrika. Ilse war Putzmacherin geworden und hatte Arbeit in der Hutfabrik von Martin Rosenthal als Garniererin gefunden. Diese Fabrik wurde allerdings 1938 auch „arisiert“. Mutter und Tochter zogen in ein möbliertes Zimmer, zunächst in der Herrengasse 2, im heutigen Gubin gelegen, dem polnischen Teil der Stadt östlich der Neiße. Hier wurden beide bei der Volkszählung vom 17. Mai 1939, in der Juden auf einer gesonderten Kartei erfasst wurden, registriert. Noch bevor Ilse im August 1939 als Hausmädchen nach England ging, zogen sie weiter in ein möbliertes Zimmer in der Königsstraße 68. Die eigenen Möbel stellten sie z.T. in der Eichholzstraße unter, z. T. bei dem Tischler Merkwirth. Einige verkauften sie auch.

Nachdem auch Ilse ausgewandert war, ging Hedwig nach Berlin, wahrscheinlich im Mai 1940. Vermutlich wollte sie dort die eigene Flucht vorbereiten, aber, nachdem sie im Februar 1939 ihren beträchtlichen Schmuck und Silberbesitz hatte abgeben müssen – nach dem Krieg wurde er anhand einer Aufstellung auf 17737 DM geschätzt – reichten ihre Mittel wohl nicht für die Beschaffung von nach Kriegsausbruch sprunghaft verteuerten Ausreisepapieren. Ihren Hausrat, denn sie in 4 Kisten verpackt in Guben eingelagert hatte, hatte sie wohl vorgehabt mitzunehmen. In Berlin fand Hedwig Katzky eine Anstellung als Haushaltshilfe bei dem Rechtsanwalt Alfred Badrian und wohnte schließlich bei ihm zur Untermiete in der Wielandstraße 34.

1941 wurde von der Gestapo „festgestellt mit Erlass vom 26.8.41, dass Bestrebungen der Jüdin volks- und staatsfeindlich gewesen“ seien, sie wurde zur „Reichsfeindin“ erklärt. Welchen Vergehens sie sich schuldig gemacht hatte, wurde nicht spezifiziert. Möglicherweise hatte sie versucht, Geld ins Ausland zu transferieren, um ihre Flucht zu ermöglichen. So ein „Devisenvergehen“ wurde häufig zum Anlass genommen, Juden pseudolegal zu sanktionieren und auszurauben. Auch Hedwigs gesamtes Vermögen wurde am 13. September 1941 beschlagnahmt: die Hypothekenbriefe musste sie der Gestapo in Frankfurt/Oder aushändigen, das Hausgrundstück Wilhelmstr 3 in Guben „verfiel“ dem Staat, ihre Möbel und Kisten wurden vom Auktionator Pflüger am 6. Oktober 1941 versteigert. Viele Gubener, alle namentlich genannt, steigerten mit, der Erlös ergab 1421,20 RM.

Wenige Monate später, Anfang Januar 1942, wurde Hedwig Katzky abgeholt und in die als Sammellager umfunktionierte Synagoge in der Levetzowstraße 7-8 gebracht. Von dort wurde sie am 13. Januar vom Gleis 17 am Bahnhof Grunewald mit 1033 anderen Opfern in das Ghetto von Riga deportiert. Der Zug bestand aus ungeheizten Güterwagen und etliche Insassen erfroren bereits auf der Fahrt.

Das Ghetto Riga war von den Deutschen nach der Einnahme der Stadt im Juli 1941 eingerichtet worden. Fast 30000 lettische Juden waren dort auf engstem Raum und unter erbärmlichen Bedingungen eingepfercht. Ende November und Anfang Dezember des Jahres ließ die SS über 90% von ihnen ermorden – um Platz für die zu deportierenden „Reichsjuden“ zu schaffen. Die Menschen in dem ersten Zug aus Berlin, der am 30. November ankam, wurden alle ebenfalls sofort erschossen, eine „Eigenmächtigkeit“ des SS-Führers Friedrich Jeckeln, die ihm eine Rüge von Himmler einbrachte. Himmler hatte dieses Schicksal nur „Arbeitsunfähigen“ zugedacht. Hedwigs Zug erreichte Riga am 16. Januar 1942. Die 62-Jährige war laut Transportliste als “arbeitsfähig” eingestuft, vermutlich gehörte sie nicht zu den sofort Ermordeten. Das Leben im Ghetto muss aber für sie sehr hart gewesen sein: Acht bis zehn Menschen hatten sie sich 2 Zimmer zu teilen, überall sah man noch Spuren der Massenermordung der lettischen Juden, Ernährung und Hygiene waren katastrophal, im Winter gab es kein Wasser, da die Rohre eingefroren waren. Zudem wurden die Insassen zu harter Zwangsarbeit herangezogen. Lange überlebte Hedwig Katzky höchstwahrscheinlich nicht, ihr Todesdatum ist nicht bekannt.

Hedwigs Schwester Margarete und ihr Mann, der Kaufmann Oscar Herzberg, die in Oberschlesien lebten, wurden im Mai 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihre beiden Söhne Hanns und Frank konnten rechtzeitig fliehen.

Quellen:
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Gubener Adressbuch; Standesamt Guben; Landesarchiv Berlin; Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin; Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Akten der Oberfinanzdirektion; Gottwaldt/Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005; Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer

Recherchen/Text: Micaela Haas