Stolpersteine Württembergallee 8

Hausansicht Württembergallee 8

Diese Stolpersteine wurden am 8.11.2021 verlegt.

Stolperstein Dr. Philipp Salomon

HIER WOHNTE
DR. PHILIPP
SALOMON
JG. 1867
BERUFSVERBOT 1934
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
TOT 24.4.1941

Dr. Philipp Isidor Salomon Philipp Salomon machte sein Abitur am Gymnasium in Landsberg und war der erste aus seiner Familie, der eine Universität besuchte; er studierte Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität) in Berlin zwischen 1885 und 1888. An dieser Universität erwarb er auch 1889 seinen Doktortitel mit einer Dissertation unter dem Titel „Das Wesen des befristeten (auf einen dies a quo gestellten) Rechtsgeschäftes“.

Nachdem er 1888 sein erstes juristisches Examen am Kammergericht in Berlin abgelegt hatte, absolvierte er sein Referendariat an den Amtsgerichten in Crossen und Driesen (Drezdenko) sowie am Landgericht in Landsberg.

1893 wurde er zum Gerichtsassessor, dann zum Rechtsanwalt am Kammergericht in Berlin ernannt und 1912 nach 19 Dienstjahren zum Justizrat. Seine Kanzlei befand sich ab 1915 in der Lützowstraße 67, südlich des Tiergartens.

Am 18. April 1922 heiratete Philipp Salomon in Berlin Toni Bertha Oberndörffer (Nathanblut), geb. Stadthagen, die Tochter von Agnes Stadthagen, geb. Jacobi, (1864-1938) und dem Justizrat Dr. Julius Stadthagen (1855-1912). Er zog in die Erdgeschoss-Wohnung seiner Frau in der Hölderlinstraße 10 (Berlin Westend) ein, wo auch der Sohn seiner Frau aus einer früheren Ehe, Arnold Oberndörffer (1914-1937), lebte. Seine Kanzlei führte er in der Lützowstraße fort. Die Familie lebte in dem gleichen Viertel von Berlin wie Toni Salomons Schwester Lilli Rehfisch (1891-1941) und Paul Stadthagen (1893-1943) und deren Familien. Philipp Salomons Schwiegermutter Agnes Stadthagen lebte in einer Wohnung im ersten Stock über ihnen.

Philipp und Toni Salomons Tochter Eva-Marie Salomon (1924-1942) wurde am 18. September 1924 geboren. Sie hatte Lernbehinderungen, und daher verbrachte sie Teile ihres Lebens in Wohnheimen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Philipp Salomon unterhielt herzliche Beziehungen zur Familie seiner Frau, beriet sie in Rechtsfragen und trat als versierter Pianist bei Familienfeiern auf. Er war auch ein leidenschaftlicher Schachspieler wie viele seiner Anwaltskollegen, die zwischen den Prozessen Schach spielten, wenn sie im Raum der Rechtsanwälte im Gericht warteten. Philipp Salomon wirkte aktiv im „Gesamtarchiv der deutschen Juden“ (heute Centrum Judaicum) mit und war 1926 Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung.

Philipp Salomon teilte seine Kanzlei in der Lützowstraße mit seinem Neffen Paul Salomon (1887-1943), einem Rechtsanwalt bei den Landgerichten in Berlin, der aus Schivelbein (Swidwin) in Pommern stammte. Während des 1. Weltkrieges hatte Paul Salomon als Kompaniechef im Bayrischen 6. Reserve-Infanterie-Regiment gedient und das Eiserne Kreuz 2. Klasse sowie die Bayrische Militär-Verdienstmedaille erhalten. Am ersten Tag der Schlacht an der Somme 1916 wurde Paul Salomon als Kommandeur seiner Kompanie gefangen genommen und verbrachte die restliche Zeit des Krieges als Gefangener in Toulouse.

Nachdem 1933 Hitler an die Macht gekommen war und die antisemitische Gesetzgebung eingeführt worden war, musste Philipp Salomon wie alle Anwälte jüdischer Herkunft erneut die Aufnahme in die Anwaltskammer beantragen. Als sog. „Altanwalt“ (Anwalt seit vor 1914) durfte er weiterhin als Anwalt praktizieren, allerdings mit Einschränkungen. Als Notar durfte er nach 1934 nicht länger tätig sein. Sein Stiefsohn Arnold Oberndörffer emigrierte in die Niederlande, weil er keinen Studienplatz erhalten konnte, da die Zahl der Studenten jüdischer Herkunft auf einen festen Prozentsatz begrenzt wurde. Er kehrte nach einer Krankheit nach Deutschland zurück, um sich in einem Sanatorium in Niederschlesien zu erholen, wo er allerdings 1937 verstarb.

1938 zogen Philipp und Toni Salomon mit ihrer Tochter in die Württembergallee 8. Im November dieses Jahres wurde Philipp Salomon aus der Anwaltskammer ausgeschlossen und durfte nur noch als Vermögensverwalter tätig sein, nachdem ein allgemeines Berufsverbot für Anwälte jüdischer Herkunft in Kraft getreten war. Seine Schwester, sowie viele seiner Neffen und Nichten, emigrierten nach Palästina, Brasilien und Großbritannien und auch Philipp Salomon plante mit seiner Frau und seiner Tochter, nach Palästina zu emigrieren. Doch angesichts der besonderen Bedürfnisse seiner Tochter und seiner zunehmenden Erkrankung waren sie dazu nicht in der Lage.

Philipp Salomon starb am 27. April 1941 an Herzversagen zu Hause und seine Asche wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee in Berlin beigesetzt.

Im folgenden Jahr wurden Philipp Salomons Frau Toni Salomon und ihre Tochter Eva-Marie gezwungen, umzuziehen in ein Haus in der Maikowskistraße (Zillestraße) 107, das wahrscheinlich für Juden bestimmt war. Toni Salomon und Eva-Marie Salomon wurden am 11. Juli 1942 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie ermordet wurden. Philipp Salomons Nichte Käthe Meyersohn, geb. Salomon, (1889-1942), ihr Ehemann Dr. Siegbert Meyersohn (1886-1942) und deren Tochter Eva Meyersohn (1921-1942) wurden am 14. Dezember 1942 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie ermordet wurden. Philipp Salomons Neffe Paul Salomon wurde am 2. März 1943 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz- Birkenau deportiert, wo er ermordet wurde. Philipp Salomons Neffe Dr. Ernst Simon (1888-1943) wurde am 17. Mai 1943 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er ermordet wurde.

Diese Biographie hat Robert Duncan, der Enkelsohn von Philipp Salomons Nichte Beata Duncan (Beate Rehfisch) 2022 geschrieben. Der Stolperstein wurde von den Nachkommen von Philipp Salomons Schwägerin gespendet.
© Robert Duncan

Quellen:
LAB-Landesarchiv Berlin; Barch PA-Bundesarchiv Abteilung Personenbezogenene Auskünfte Berlin-Reinickendorf; Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin; GStA PK-Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz; BLHA-Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam; Geschäftsbericht, Mitteilungen des Gesamtarchivs der deutschen Juden 6. Jahrg. (1926); BayHStA-Bayern Hauptstaatsarchiv; Berliner Adreßbuch; Ladwig-Winters, Simone, Lawyers without Rights: The Fate of Jewish Lawyers in Berlin after 1933 (Ed. Choyke, William J) (ABA, 2018); Handbuch über den Preußischen Staat

Weblinks:
Lilli Rehfisch geb. Stadthagen https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146516.php
Paul Stadthagen https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179349.php
Dr Siegbert Meyersohn https://blog.pommerscher-greif.de/der-juedische-arzt-von-schivelbein/

  • Philipp Isidor Salomon englische Version

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Stolperstein Toni Salomon

HIER WOHNTE
TONI SALOMON
GEB. STADTHAGEN
JG. 1887
DEPORTIERT 11.7.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Toni Bertha Salomon, geb. Stadthagen, wurde am 8. Juli 1887 in Berlin geboren. Ihre Eltern waren Agnes Stadthagen, geb. Jacobi, (1864-1938) und der Justizrat Dr. Julius Stadthagen (1855-1912). Ihre Mutter stammte aus Hamburg, ihr Vater war gebürtiger Berliner und als Anwalt an Berliner Landgerichten tätig. Unter vielen Verwandten war auch ihr Onkel, der angesehene SPD-Reichstagsabgeordnete Arthur Stadthagen (1857-1917).

Toni Salomon hatte zwei jüngere Geschwister, ihre Schwester Lilli (1891-1941) und ihren Bruder Paul (1893-1943). Die Geschwister verband eine herzliche Beziehung im engen Familienkreis. Die Familie wohnte zunächst in der Zimmerstraße 94, Berlin-Mitte und zog dann 1900 in ein Viertel südlich des Tiergartens (Am Karlsbad 2). Im Unterschied zu ihren Geschwistern absolvierte Toni Salomon keine Ausbildung oder ein Studium; sie war musikalisch und literarisch begabt und arbeitete als Kindergartenhelferin. Ihr Vater war ein Amateur Ägyptologe und besaß eine Sammlung antiker Fundstücke, die sich in der Familienwohnung befanden. Auf der Rückreise von einem Besuch in Ägypten 1912 starb Julius Stadthagen an einer Herzattacke am 9. Mai, die er an Bord des Schiffes erlitt. Sein Leichnam wurde mit dem Zug von Neapel nach Berlin überführt und er ist auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beerdigt.

Toni Stadthagen (Salomon) heiratete am 29. September 1913 in Berlin den Neurologen Dr. Ernst Oberndörffer (1876-1916), der aus München stammte. Am 7. August 1914 wurde ihr Sohn Arnold geboren. Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges verließ Ernst Oberndörffer, noch vor der Geburt seines Sohnes, Berlin, um als Sanitätsoffizier in der deutschen Armee an der Westfront zu dienen, wo er das Eiserne Kreuz II. Klasse und die Bayrische Militärverdienstmedaille erhielt. 1915 trat er in die Osmanische Armee ein und wurde zum Arzt im Stab des Feldmarschalls von der Goltz ernannt; er reorganisierte das Lazarett in Bagdad nach deutschen Richtlinien, wofür er mit dem „Eisernen Halbmond“ ausgezeichnet wurde. Ernst Oberndörffer infizierte sich bei einem Patienten mit Typhus und starb am 10. März 1916 in Bagdad, wo er auf dem Jüdischen Friedhof beerdigt worden ist.

Toni Oberndörffer (Stadthagen/Salomon), jetzt Kriegswitwe, zog mit ihrem Sohn Arnold und ihrer Mutter Agnes Stadthagen in die Hölderlinstraße 10 nach Westend, einem Viertel in Charlottenburg. Die Familie wohnte im Erdgeschoss und Agnes Stadthagen in ihrer eigenen Wohnung im ersten Stock. Toni Salomons Schwester Lilli Rehfisch und ihr Bruder Paul Stadthagen würden bald auch ihre jeweiligen Familien in der Nähe großziehen.

Mit dem Arzt Dr. Julian Nathanblut (1877-1942) ging Toni Salomon am 10. Juli 1919 ihre zweite Ehe ein. Geboren in St. Petersburg war er mit seiner Familie nach Warschau umgezogen und dann 1883 nach Berlin. Julian Nathanblut wuchs in Berlin auf, studierte Medizin und, nachdem er seinen Doktortitel an der Universität von Leipzig erworben hatte, praktizierte er als Arzt in Berlin. Nach einer kinderlosen Ehe ließen sich Toni und Julian Nathanblut ein Jahr später scheiden. Da Julian Nathanblut aufgrund der antisemitischen Gesetzgebung nach 1933 keine Patienten innerhalb des öffentlichen Gesundheitswesens mehr behandeln konnte, emigrierte er nach Belgien und später nach Frankreich.

Julian Nathanblut wurde am 28. August 1942 von dem Durchgangs- und Internierungslager Drancy aus in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er ermordet wurde.

Ihre dritte Ehe ging Toni (Stadthagen/Nathanblut/Salomon) am 18. April 1922 mit dem Justizrat Dr. Philipp Salomon (1867-1941), einem Anwalt am Kammergericht, ein. Als Schachspieler und Amateur-Pianist wurde er ein enges Mitglied der Großfamilie, der auf Familienfeiern Klavier spielte und seinen Schwager Hans Rehfisch (1891-1960) bei Gesangsduetten begleitete. Er war in der Lage, die Großfamilie in ihren rechtlichen Belangen zu beraten und zu unterstützen.

Toni und Philipp Salomons Tochter Eva-Marie wurde am 18. September 1924 geboren. Eva-Marie hatte Lernbehinderungen, und sie besuchte daher Sonderschulen. Die Familien von Toni Salomon, ihrer Schwester Lilli Rehfisch und ihrem Bruder Paul Stadthagen standen sich nahe und unterstützten sich in der Weimarer Zeit. Nachdem 1933 Hitler an die Macht gekommen war, konnte Tonis Sohn Arnold aufgrund einer festen Prozentzahl an Studenten jüdischer Abstammung kein Medizinstudium an einer deutschen Universität aufnehmen. Daher emigrierte er in die Niederlande. Weil er an einer schweren Krankheit litt, kehrte er 1936 nach Deutschland zurück, um sich in einem Sanatorium der Kurstadt Obernigk in Niederschlesien zu erholen. Am 16. Februar 1937 starb Arnold Oberndörffer. Er ist auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee in Berlin beerdigt.

Die Familie Salomon ertrug unterdrückende soziale Verhältnisse aufgrund der Rassengesetze der späten 1930er- Jahre. Die Familie zog 1938 von der Hölderlinstraße in die Württembergallee 8, ihre letzte Adresse freier Wahl. Toni Salomons Mutter Agnes Stadthagen starb am 22. Juni 1938 und ist auf dem Friedhof Weißensee neben ihrem Ehemann begraben. Die Familienpläne für eine Auswanderung nach Palästina wurden wegen Philipp Salomons schlechtem Gesundheitszustandes während der späten 1930er- Jahre verschoben. Philipp Salomon starb am 27. April 1941 zu Hause an einem Herzinfarkt und seine Asche wurde auf dem Friedhof Weißensee beigesetzt.

Am 29. November 1941 wurde Toni Salomons jüngere Schwester Lilli Rehfisch in das Konzentrationslager Jungfernhof bei Riga deportiert, wo sie ermordet wurde.

1942 wurden Toni Salomon und ihre Tochter Eva-Marie gezwungen in das Haus Maikowskistraße 107 (heute Zillestraße) umzuziehen, das wahrscheinlich ein „Judenhaus“ war. Sie wurden zusammen am 11. Juli 1942 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Toni und Eva-Marie Salomon wurden in dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet.

Toni Salomons Bruder Paul Stadthagen wurde am 23. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er ermordet wurde.

Toni Salomon hinterlässt keine direkten Nachkommen, aber sie wird von den Nachkommen ihrer jüngeren Geschwister in Erinnerung gehalten und wegen ihrer Integrität und Liebe als Schwester, Mutter und Tante geehrt. Ihre Nichte Beate Rehfisch erinnerte sich an sie als eine zentrale Person in ihrer Großfamilie, die Wärme und Großzügigkeit, eine lebenswichtige Güte besaß.

Diese Biographie ist von Toni Salomons Großneffen Stephen Duncan mit Hilfe ihres Urgroßneffen Robert Duncan geschrieben worden.
Toni Salomons Stolperstein ist von den Nachkommen ihrer Schwester gespendet worden.
© Stephen Duncan

Quellen:
LAB-Landesarchiv Berlin; Czitrich-Stahl, Holger, Arthur Stadthagen: Anwalt der Armin und Rechtslehrer der Arbeiterbewegung (Berlin: Peter Lang, 2011); Unseren Gefallen Kameraden: Gedenkbuch für die im Weltkrieg gefallen Münchener Juden (München: Verlag der Schild, 1929) S. 80, 227; BayHStA-Bayern Hauptstaatsarchiv; Barch PA-Bundesarchiv Abteilung Personenbezogene Auskünfte Berlin-Reinickendorf; BLHA-Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam; Arolsen Archiv

Weblinks:
Lilli Rehfisch https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146516.php
Paul Stadthagen https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179349.php
Beate Rehfisch https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146516.php

  • Toni Salomon englische Version

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Stolperstein Eva-Marie Salomon

HIER WOHNTE
EVA-MARIE SALOMON
JG. 1924
DEPORTIERT 11.7.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Eva-Marie Salomon wurde am 18. September 1924 in Berlin geboren. Ihre Eltern waren Toni Salomon, geb. Stadthagen, (1887-1942) aus Berlin und der Justizrat Dr. Philipp Salomon aus Landsberg an der Warthe. Sie war das einzige Kind von Toni und Philipp Salomon und in der Familie als Evamarie bekannt; ihr älterer Halbbruder war Arnold Oberndörffer (1914-1937) aus Toni Salomons erster Ehe. Unter vielen Verwandten befanden sich ihr Großonkel, der angesehene sozialdemokratische (SPD) Reichstagsabgeordnete Arthur Stadthagen (1857-1917) und ihr Onkel, der ausgezeichnete Pilot des Ersten Weltkriegs, Paul Stadthagen (1893-1943).

Eva-Maries Mutter Toni Salomon war die älteste von drei Geschwistern und hatte als Kindergartenhelferin gearbeitet, ihr Vater war Rechtsanwalt am Kammergericht und Amateur-Pianist. Die Familie lebte in der Hölderlinstraße 10 in demselben Haus, in dem auch die Großmutter Agnes Stadthagen, geb. Jacobi, (1864-1938) wohnte. Die Geschwister ihrer Mutter und deren Familien lebten ebenfalls im Westend von Berlin und bildeten einen größeren Familienverband.

Eva-Marie hatte Lernbehinderungen, und daher besuchte sie zu verschiedenen Zeiten ihres Lebens Schulen, Tageszentren und Internate für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Sie hatte ein enges Verhältnis zu ihren Eltern und dem großen Kreis ihrer Berliner Cousins und Cousinen und wurde liebevoll „Evchen“ genannt. Ihre ältere Cousine Beate Rehfisch erinnerte sich an ein lebhaftes Kind, das ein wichtiges Mitglied der Familie war.

Ihre beiden Eltern waren jüdischer Herkunft und mit der Machtergreifung Hitlers 1933 musste die Familie eine zunehmend bedrohlicher werdende Welt ertragen. 1938 zog die Familie in die Württembergallee 8, ihre letzte frei gewählte Adresse. Eva-Marie Salomon war nicht in der Lage, Deutschland zu verlassen, da sie aufgrund ihrer Behinderung kein Visum zur Ausreise erhalten konnte. Ihre Mutter Toni Salomon blieb in Berlin, um ihre Tochter und ihren Ehemann, der in seinen letzten Lebensjahren zunehmend erkrankte, zu unterstützen. Am 27. April 1941 starb Evamaries Vater Philipp Salomon an Herzversagen und seine Asche wurde auf dem Friedhof Weißensee in Berlin beigesetzt. Ihr älterer Halbruder Arnold Oberndörffer war schon 1937 gestorben und auch auf dem Friedhof Weißensee beerdigt worden.

Die letzte Adresse von Toni und Eva-Marie Salomon war 1942 die Maikowskistraße 107 (heute Zillestraße) in Berlin, wahrscheinlich ein für Juden bestimmtes Haus („Judenhaus“). Am 11. Juli 1942 wurden sie zusammen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert.

Eva-Marie Salomon wurde mit ihrer Mutter Toni Salomon in dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet.

Eva-Maries Tante Lilii Rehfisch (1891-1941) wurde am 29. November 1941 in das Konzentrationslager Jungfernhof, Riga, deportiert, wo sie ermordet wurde. Ihr Onkel Paul Stadthagen wurde am 23. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er ermordet wurde. Eva-Maries Cousine Käthe Meyersohn, geb. Salomon, (1886-1942), deren Ehemann Dr. Siegbert Meyersohn (1886-1942) und deren Tochter Eva Meyersohn (1921-1942) wurden am 14. Dezember 1942 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie ermordet wurden. Eva-Maries Cousin Paul Salomon (1887-1943) wurde am 2. März 1943 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er ermordet wurde. Eva-Maries Cousin Dr. Ernst Simon (1888-1943) wurde am 17. Mai 1943 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er ermordet wurde.

Eva-Marie Salomon wird von den Nachkommen ihrer Cousins und Cousinen in Erinnerung gehalten und diese Biographie ist von Stephen Duncan, dem Sohn von Eva-Maries Cousine Beata Duncan (Beate Rehfisch) geschrieben worden mit der Hilfe von Robert Duncan, Beata Duncans Enkelsohn.

Der Stolperstein für Eva-Marie Salomon ist von den Nachkommen ihrer Cousins und Cousinen gespendet worden.
© Stephen Duncan

Quellen:
LAB-Landesarchiv Berlin; Czitrich-Stahl, Holger, Arthur Stadthagen: Anwalt der Armin und Rechtslehrer der Arbeiterbewegung (Berlin: Peter Lang, 2011); Barch PA-Bundesarchiv Abteilung Personenbezogenene Auskünfte Berlin-Reinickendorf; BLHA-Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam; Arolsen Archiv

Weblinks:
Paul Stadthagen https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179349.php
Lilli Rehfisch https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146516.php
Beate Rehfisch https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146516.php
Dr Siegbert Meyersohn https://blog.pommerscher-greif.de/der-juedische-arzt-von-schivelbein/

  • Eva-Marie Salomon englische Version

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Stolperstein Arnold Oberndörffer

ARNOLD
OBERNDÖRFFER
JG. 1914
FLUCHT 1933
HOLLAND
ZURÜCKGEKEHRT
TOT 16.2.1937
OBERNIGK

Arnold Julius Oberndörffer wurde am 7. August 1914 in Berlin geboren. Seine Eltern waren Toni Oberndörffer (später Salomon), geb. Stadthagen, (1887-1942) und der Neurologe Dr. Ernst Oberndörffer (1876-1916). Arnold Oberndörffers Mutter hatte bis zu ihrer Hochzeit als Kindergartenhelferin gearbeitet. Ernst Oberndörffer, der aus München stammte, hatte an der Ludwig-Maximilian-Universität in München Medizin studiert. Nach dem Erwerb des Doktortitels arbeitete er als Assistenzarzt am Krankenhaus von Moabit in Berlin, bevor er sich als Neurologe niederließ. Er war auch Redaktionsmitglied der deutschen Medizinischen Wochenschrift und gab Roths „Klinische Terminologie“ heraus.

Beim Ausbruch des 1. Weltkrieges, zwei Tage bevor Arnold Oberndörffer geboren wurde, meldete sich sein Vater, Sanitätsoffizier der Landwehr, zum Dienst an der Westfront bei der 2. Sanitätskompanie des III. Bayrischen Armeekorps, die der 6. Bayrischen Infanteriedivision angeschlossen war. Während der Grenzkämpfe in Lothringen und St. Mihiel Salient 1914/15 diente er bei den Hauptverbandplätzen; er erhielt dafür des Eiserne Kreuz II. Klasse und einen bayrischen Militärverdienstorden. 1915 wechselte Ernst Oberndörffer zur Osmanischen Armee und wurde zum Arzt beim Stab von Feldmarschall v.d. Goltz, des deutschen Befehlshabers der 6. Osmanischen Armee in Mesopotamien, ernannt. Ernst Oberndörffer reorganisierte das Abdul Achad Lazarett in Bagdad nach deutschen Richtlinien, wofür er den „Eisernen Halbmond“ erhielt und zum Sanitätsmajor befördert wurde. Im Februar 1916 erkrankte Ernst Oberndörffer bei der Untersuchung eines verwundeten Soldaten an Typhus und starb durch diese Krankheit zwei Wochen später am 10. März. Ernst Oberndörffer wurde nach einer Trauerfeier bei Fackellicht, an der der deutsche und der osmanische Führungsstab, Würdenträger und die jüdische Gemeinde teilgenommen hatten, auf dem Jüdischen Friedhof von Bagdad beerdigt.

Nach dem Tod des Vaters zogen das Kind Arnold und seine Mutter Toni Oberndörffer aus ihrer Wohnung in der Uhlandstraße 43 in Wilmersdorf aus und zogen in eine Erdgeschoss-Wohnung in der Hölderlinstraße 10 in Charlottenburg-Westend ein. Arnolds Großmutter, Agnes Stadthagen, geb. Jacobi, (1864-1938) zog in dasselbe Haus ein und wohnte im ersten Stock über ihnen.

Beide Onkel von Arnold Oberndörffer dienten im 1. Weltkrieg. Der jüngere Bruder seines Vaters Leo Oberndörffer (1882-1916) wurde in der Schlacht an der Somme getötet. Er hatte in einer Batterie der Fußartillerie gedient und das Eiserne Kreuz II. Klasse erhalten. Der jüngere Bruder seiner Mutter Paul Stadthagen (1893-1943) diente als Pilot in Kampfstaffel 2 (Kasta 2) und erhielt das Eiserne Kreuz I. Klasse.

Arnolds Mutter Toni Oberndörffer heiratete am 10. Juli 1919 ihren zweiten Ehemann, den Internisten Dr. Julian Nathanblut (1877-1942), doch die Ehe wurde im folgenden Jahr wieder geschieden. Am 18. April 1922 heiratete Arnolds Mutter ihren dritten Ehemann, den Justizrat Dr. Philipp Salomon (1867-1942) und der neue Stiefvater zog in die Wohnung der Familie in der Hölderlinstraße ein. Arnold Oberndörffers Schwester Eva-Marie Salomon (1924- 1942) wurde am 18. September 1924 geboren. Arnold Oberndörffer war der Älteste in der Großfamilie von Cousinen und Cousins, die alle in der Nähe wohnten; seine Tante Lilli Rehfisch, geb. Stadthagen, (1891-1941) und sein Onkel Paul Stadthagen zogen ihre jeweiligen Familien auch im Westend auf. Seine Cousine Beate Rehfisch (1921-2015) erinnerte sich an Arnold Oberndörffer als einen ruhigen, sanften Jungen, der seine jüngere Schwester, Cousins und Cousinen beschützte .

Arnold Oberndörffer strebte danach, seinem Vater in der Medizin zu folgen, doch in Deutschland konnte er keinen Studienplatz erlangen, was dem festgelegten Prozentsatz für die Anzahl von Studenten jüdischer Herkunft nach der Machtübertragung an Hitler geschuldet war. Daher entschloss er sich im Alter von 19 Jahren, in die Niederlande zu emigrieren. Nachdem er sich für eine kurze Zeit in Amsterdam aufgehalten hatte, arbeitete er dann 1935 als Gärtner in Den Haag und später in einem Ferienlager in Apeldoorn.

Er erkrankte jedoch schwer und kehrte 1936 nach Deutschland zurück. Um wieder gesund zu werden, hielt er sich in einem Sanatorium in dem Kurort Obernigk (Oberniki Slaskie), Trebnitz (Trzebnica), in Niederschlesien auf und lernte Englisch bei einem Privatlehrer, wahrscheinlich in der Absicht, nach Großbritannien zu emigrieren.

Arnold Oberndörffers Gesundheitszustand verschlechterte sich und er starb am 16. Februar 1937. Arnolds Mutter Toni Salomon brachte seinen Leichnam von Trebnitz zurück nach Berlin und Arnold Oberndörffer ist auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee in der Nähe des Grabes seiner Großeltern Agnes und Julius Stadthagen (1855-1912) beerdigt.

Arnold Oberndörffers Stiefvater Philipp Salomon starb am 27. April 1941 zu Hause an einem Herzversagen und seine Asche wurde auf dem Friedhof Weißensee beigesetzt. Arnold Oberndörffers Tante Lilli Rehfisch wurde am 29. November 1941 von Nürnberg aus in das Konzentrationslager Jungfernhof bei Riga (Lettland) deportiert, wo sie ermordet wurde. Arnolds Mutter Toni Salomon und seine Schwester Eva-Marie wurden am 11. Juli 1942 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie ermordet wurden. Arnolds früherer Stiefvater Dr. Julian Nathanblut wurde am 28. August 1942 aus dem Internierungs- und Durchgangslager Drancy in Frankreich in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er ermordet wurde. Arnolds Onkel Paul Stadthagen wurde am 23. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er ermordet wurde.

Diese Biographie wurde von Robert Duncan, dem Enkel von Arnold Oberndörffers Cousine Beata Duncan (Beate Rehfisch) geschrieben. London 2022.
Der Stolperstein wurde von den Nachkommen von Arnold Oberndörffers Cousinen und Cousins gespendet.

© Robert Duncan

Quellen:
LAB-Landesarchiv Berlin; Czitrich-Stahl, Holger, Arthur Stadthagen: Anwalt der Armin und Rechtslehrer der Arbeiterbewegung (Berlin: Peter Lang, 2011); UAM-Universitätsarchiv, Ludwig-Maximilians-Universität München; BayHStA-Bayern Hauptstaatsarchiv; Unseren Gefallen Kameraden: Gedenkbuch für die im Weltkrieg gefallen Münchener Juden (München: Verlag der Schild, 1929) S. 80, 227; Deutsche Medizinische Wochenschrift 1916 42 (12) S.363; Gemeintearchief Den Haag; CODA Apeldoorn; Jüdischer Friedhof Weißensee

Weblinks:
Paul Stadthagen https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179349.php
Lilli Rehfisch https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146516.php
Beate Rehfisch https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146516.php

  • Arnold Julius Oberndörffer englische Version

    oberendorffer-arnold-engl

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