Stolpersteine Württembergallee 26

Hausansicht Württembergallee 26

Diese Stolpersteine wurden am 8.11.2021 verlegt.

Stolperstein Lilli Rehfisch

HIER WOHNTE
LILLI REHFISCH
GEB. STADTHAGEN
JG. 1891
VERHAFTET 31.10.1941
OHNE „JUDENSTERN“
GEFÄNGNIS NÜRNBERG
DEPORTIERT 29.11.1941
RIGA-JUNGFERNHOF
ERMORDET

Lilli Dora Rehfisch geb. Stadthagen, wurde am 29. Januar 1891 in Berlin geboren. Ihre Eltern waren Agnes Stadthagen (1864-1938), geb. Jacobi, und der Justizrat Dr. Julius Stadthagen (1855-1912), der als Anwalt an Berliner Landgerichten tätig war. Die Mutter stammte aus Hamburg, der Vater war gebürtiger Berliner. Die Familie lebte zunächst in Berlin-Mitte, in der Zimmerstr. 94, und zog später in den Bezirk Tiergarten, wo sie „Am Karlsbad 2“ wohnte. Lilli Stadthagen (Rehfisch) hatte zwei Geschwister: eine ältere Schwester Toni (1887-1942) und einen jüngeren Bruder Paul (1893-1943). Unter vielen Verwandten war auch ihr Onkel, der angesehene sozialdemokratische (SPD) Reichstagsabgeordnete Arthur Stadthagen (1857-1917). Lilli Rehfischs Vater war Amateur-Ägyptologe und hatte eine Sammlung antiker Fundstücke in der Familienwohnung. Auf einer Rückreise von Ägypten 1912 starb er auf See an einem Herzinfarkt am 9. März. Sein Leichnam wurde von Neapel aus mit dem Zug nach Berlin transportiert. Er ist auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee in Berlin beerdigt.

Lilli Stadthagen (Rehfisch) schrieb sich 1911 an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin für Naturwissenschaften ein, 1913 für Medizin. Eine Leistung für eine Frau in dieser Zeit. Es war ihr Ehrgeiz zu der bahnbrechenden Generation der ersten weiblichen Ärzte zu gehören. 1916 studierte sie auch ein Semester lang Medizin an der Ludwig-Maximilian-Universität in München, bevor sie zurückkehrte, um ihr Studium in Berlin fortzusetzen, allerdings ohne ihre Approbation als Ärztin zu erlangen.

Lilli Stadthagen (Rehfisch) hatte um 1913 herum Dr. Hans Rehfisch (1891-1960), einen aufstrebenden Bühnenautor und Rechtsreferendar, getroffen. Hans Rehfisch diente als Soldat im 1. Weltkrieg und das Paar heiratete im Mai 1917, während Hans Rehfisch auf Urlaub in Berlin war. Am 31. Januar 1918 wurde ihr Sohn Thomas geboren. Die Familie zog 1919 in ihre Wohnung in der Württembergallee 26-27 im Berliner Westend, wo ihre Tochter Beate am 3. August 1921 geboren wurde. Viele ihrer engeren Verwandten lebten auch im Westend, so ihre Mutter Agnes Stadthagen und Ihre Schwester Toni Salomon in der Hölderlinstraße 10 und ihr Bruder Paul Stadthagen in der Kastanienallee 24. Hans Rehfischs Schriftstellerkarriere hatte inzwischen begonnen; er wurde ein erfolgreicher Bühnenautor der Weimarer Zeit.

Lilli Rehfisch war für viele Stücke von H. Rehfisch ein Antrieb und eine Hilfe, indem sie auf seine Stücke, die in Arbeit waren, reagierte und diese bewertete. Durch das Arbeiten in angrenzenden Arbeitszimmern wurde die Wohnung für das Paar zu einem beruflichen und gesellschaftlichen Mittelpunkt, als ihre Karrieren Fortschritte machten. Lilli Rehfisch genoss die Natur und segelte mit ihrem eigenen Boot auf den Havelseen, mit Liegeplätzen in der Nähe von Pichelsberg. (Pichelsberg ist ein Charlottenburger Stadtbezirk.)

Während Lilli Rehfischs Medizinstudium durch ihre Eheschließung und die neu entstandene Familie unterbrochen worden war, führte ihr medizinisches Interesse sie nun zu dem aufstrebenden Gebiet der Psychotherapie. Sie absolvierte in den 20er- Jahren eine Ausbildung zur Psychotherapeutin bei Alexander ‚Alphonse‘ Neuer (1883-1941), einem Anhänger der Individualpsychologie des Psychoanalytikers Alfred Adler. Dieser Zugang zur Therapie berücksichtigt sowohl Umwelteinflüsse als auch persönliche familiäre Erfahrungen bei der Behandlung und schloss einen aufkommenden Feminismus ein.

Als Psychotherapeutin behandelte Lilli Rehfisch Erwachsene und junge Leute in ihrem Arbeitszimmer in der Wohnung und Kinder in Ferienlagern, außerdem Patienten, die ihr von dem berühmten Therapeuten Fritz Künkel (1889-1956) empfohlen worden waren. Sie hielt öffentliche Vorträge und moderierte Radiosendungen über psychische Gesundheit und ihr Gebiet der Psychotherapie. A. Neuer ermutigte sie, ihr Medizinstudium wiederaufzunehmen, in der Absicht, sich schließlich als Ärztin zu qualifizieren, um zusammen mit der Gruppe der Berliner Adlerianer um Neuer ihre Praxis als Therapeutin zu ergänzen.

1930 gab Lilli Rehfisch nach dem Internationalen Kongress für Individualpsychologie, der in Berlin abgehalten wurde, für Alfred Adler einen Empfang in ihrer Familienwohnung. Ihre Tochter Beata Duncan (Beate Rehfisch) erinnert sich an dieses Ereignis (geschildert in ihrer Gedichtsammlung „Berlin Blues“) sowie an viele andere Veranstaltungen in der Wohnung ihrer Eltern. Es war eine Zeit bemerkenswerter schöpferischer und intellektueller Aktivität.
Indes, Hans Rehfisch wurde 1933 nach der Machtübernahme Hitlers wegen seiner Anti-Nazi-Stücke für eine kurze Zeit inhaftiert und floh nach seiner Haftentlassung aus Deutschland nach Wien. Die Ehe von Lilli und Hans Rehfisch war bereits in Schwierigkeiten und das Paar trennte sich nun; ihre Scheidung wurde 1939 abgeschlossen.

Wegen ihrer jüdischen Herkunft entschied Lilli Rehfisch etwas später, dass es für ihre Kinder Thomas und Beate sicherer wäre zu emigrieren. Die zwei Kinder reisten 1934 nach Großbritannien, anfangs um die Bunce Court School in Kent zu besuchen, eine Schule mit einem reformpädagogischen Konzept, die die Direktorin Anna Essinger von Herrlingen in Deutschland nach Kent verlegt hatte. Lilli Rehfisch blieb in Berlin und wurde von ihrem Schwiegervater, dem bekannten Kardiologen Prof. Dr. Eugen Rehfisch (1862-1937) unterstützt, der ihre psychiatrischen Forschungsinteressen teilte.

Lilli Rehfisch suchte aus Krankheitsgründen während der 1930er- Jahre mehrere Sanatorien in Deutschland auf; mit Beginn des 2. Weltkrieges hatte sie nicht mehr auswandern können. In Berlin traf sie einen neuen Gefährten, Bernhard Gros (1870-1941) aus Altdorf im Schwarzwald; das Paar konnte trotz Verfolgung und harter Einschränkungen noch eine späte Beziehung genießen. Angeklagt wegen des Nicht-Tragens eines „Judensterns“, wurden Lilli Rehfisch und Bernhard Gros am 31. Oktober 1941 in Nürnberg verhaftet, als sie durch Süddeutschland reisten. Anschließend wurden sie zusammen am 29. November 1941 von Nürnberg aus in das Konzentrationslager Jungfernhof bei Riga (Lettland) deportiert.

Lilli Rehfisch wurde im Winter 1941 ermordet.
Bernhard Gros wurde im Winter 1941 ermordet.

Lilli Rehfischs Schwester Toni Salomon und ihre Nichte Eva-Marie Salomon wurden am 11. Juli 1942 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie ermordet wurden. Ihr Bruder Paul Stadthagen wurde am 23. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er ermordet wurde.

Lilli Rehfischs Kinder Thomas und Beate erinnerten sich an sie als innig geliebte Mutter, als eine Frau von Intelligenz, Mitgefühl und Einfühlungsvermögen, als eine weise und erfahrene Therapeutin, die einen Beitrag zu der frühen Entwicklung eines wichtigen Systems der Psychotherapie geleistet hat. Sie wird heute von ihren Nachkommen, ihren Enkeln und Urenkeln geehrt.

Die Biographie ist von Lilli Rehfischs Enkel Stephen Duncan unter Mithilfe ihres Urenkels Robert Duncan geschrieben worden.
Lilli Rehfischs Stolperstein ist von den Nachkommen gespendet worden.
© Stephen Duncan

Quellen:
LAB-Landesarchiv Berlin; Czitrich-Stahl, Holger, Arthur Stadthagen: Anwalt der Armin und Rechtslehrer der Arbeiterbewegung (Berlin: Peter Lang, 2011); Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin; UAM-Universitätsarchiv, Ludwig-Maximilians-Universität München; Barch PA-Bundesarchiv Abteilung Personenbezogene Auskünfte Berlin-Reinickendorf;
BLHA-Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam; StANu-Staatsarchiv Nürnberg; Arolsen Archiv

Weblinks:

Paul Stadthagen:
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179349.php
Toni Salomon geb.Stadthagen:
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146363.php
Eva-Marie Salomon: https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146363.php

  • Lilli Rehfisch englische Version

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Stolperstein Beate Rehfisch

HIER WOHNTE
BEATE REHFISCH
VERH. DUNCAN
JG. 1921
MIT HILFE
FLUCHT 1934
ENGLAND

Beate Susanne Rehfisch (Beata Duncan) wurde am 3. August 1921 in der Familienwohnung in Berlin geboren. Ihre Eltern waren Lilli Rehfisch, geb. Stadthagen, (1891-1941) und Hans Rehfisch (1891-1960). Die Familie wohnte in der Württembergallee 26-27. Die Familien Rehfisch und Stadthagen waren angesehene Berliner Familien, die als Anwälte, Ärzte und Ingenieure einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisteten, darunter Beates Großonkel Arthur Stadthagen (1857-1917), ein SPD-Abgeordneter im Reichstag, ihr Großvater Prof. Dr Eugen Rehfisch (1862–1937), der wegweisende Urologe und Kardiologe, und ihr Onkel Paul Stadthagen (1893–1943), ein ausgezeichneter Pilot des Ersten Weltkriegs.

Beate Rehfisch besuchte die nahegelegene 28. Gemeindeschule Charlottenburg (heute Reinold-Otto-Grundschule) und später kurz die Westend Schule (heute Herder-Gymnasium). Ein Spielplatz für Beate und ihren älteren Bruder Thomas (1918-1991) befand sich direkt gegenüber ihrer Wohnung auf dem Fürstenplatz. In der näheren Umgebung wohnten viele engere Verwandte. Beate Rehfischs Großmutter Agnes Stadthagen, geb. Jacobi, (1864-1938) und ihre Tante Toni Salomon, geb. Stadthagen, (1887-1942) lebten nahebei in der Hölderlinstraße.

Ihre Mutter Lilli Rehfisch war eine praktizierende Psychotherapeutin, die ihre Patienten*innen in ihrem Arbeitszimmer in der Wohnung empfing, während ihr Vater Hans Rehfisch, ein erfolgreicher Bühnenautor, seine Stücke im angrenzenden Arbeitszimmer schrieb. Beate Rehfisch erinnerte sich an ein lebhaftes Familienleben in den 1920-er und frühen 1930-er Jahren mit Besuchern aus der Welt der Psychoanalyse (Alfred Adler) und der des Theaters (Bertold Brecht, Erwin Piscator).

Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 wurde der Vater wegen seiner regimekritischen Stücke für kurze Zeit inhaftiert und floh dann nach Österreich, später nach Großbritannien. Wegen ihrer jüdischen Herkunft entschied Beates Mutter Lilli Rehfisch früh im Jahre 1934, dass auch Beate und ihr Bruder Thomas Deutschland verlassen und mit der Hilfe von Lady Erleigh aus der Mond Familie, einer entfernten Verwandten, nach Großbritannien emigrieren sollten. Sie besuchten die Bunce Court School, eine fortschrittliche Schule, die die Direktorin Anna Essinger von Herrlingen in Baden-Württemberg nach Großbritannien verlegt hatte, nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren.

Beate Rehfisch besuchte anschließend die Manor House School in Surrey, während ihr Bruder Thomas Elektrotechnik in London studierte. Um 1939 lebte Beate Rehfisch in angemieteten Räumen im Norden Londons und war als Sekretärin beim Refugees Committee beschäftigt. (Das war auch der Grund, warum sie 1940 nicht interniert wurde.) Während des 2. Weltkrieges studierte sie am Birkbeck College der Universität von London, für einen Bachelor of Arts im Fach Geschichte. Um ihren Lebensunterhalt als Studentin zu bestreiten, hatte sie eine Reihe von Teilzeitstellen, so als Kindermädchen, als Lehrhilfskraft und als Malerin in einer Spielzeugwerkstatt. So war sie schließlich in der Lage, sich mit ihrem Bruder Thomas eine Mietwohnung in Belsize Park im Norden von London zu teilen.

Nach dem Ende des Krieges musste Beate Rehfisch erfahren, dass ihre Mutter Lilli Rehfisch, ihr Onkel Paul Stadthagen, ihre Tante Toni Salomon und ihre Cousine Eva-Marie Salomon während des Holocaust in den Konzentrationslagern ermordet worden waren – ein traumatischer Verlust, der zu vielen Jahren von Leid führte.

Beate Rehfisch änderte ihren Vornamen in „Beata“, wurde 1949 britische Staatsbürgerin (ihre deutsche Staatsbürgerschaft war ihr 1939 von der deutschen Regierung aberkannt worden) und ließ sich dauerhaft in London nieder.

Beata Rehfisch war Adrian, einem Kommilitonen, am Birkbeck College begegnet und sie hatten zusammen einen Sohn, Stephen. Adrian wurde als Dozent für Psychologie im Fachbereich Philosophie der Sheffield Universität ernannt, aber er starb jung. Beata Rehfisch zog ihren Sohn im Norden Londons auf mit Beschäftigungen als Redakteurin im Verlagswesen, als Forscherin für die Encyclopaedia Britannica, als Bibliothekarin in Schulen und Hochschulen und als Dozentin für englische Literatur in Einrichtungen der Erwachsenenbildung.

Beata Rehfischs wahre Leidenschaft war aber die Literatur und sie studierte in den frühen 1950er- Jahren Literatur am University College, London. Sie wurde Schriftstellerin, insbesondere Dichterin, und sie war eine versierte und beliebte Interpretin ihrer Gedichte. Ihre Dichtung wurde vielfach in Zeitungen, Zeitschriften und Anthologien (einschließlich der „New Poetry“ des Arts Council of Great Britain, der Hearing Eye Press und der website poetry p f) veröffentlicht. Sie war Preisträgerin in Gedichtwettbewerben und leistete Pionierarbeit in Workshops für kreatives Schreiben mit vielen aufstrebenden Dichtern*innen. Ein Großteil ihrer Gedichte beschreibt Ereignisse aus ihrem Leben, einschließlich der Betreuung ihrer Enkelkinder, und wurde in einigen Liederzyklen von Komponisten vertont.

Mit dem Eintritt in den Ruhestand gewann Beata Rehfischs Karriere als Dichterin an Vitalität; sie wurde von vielen ihrer Kollegen*innen für die Klarheit und Eleganz ihrer Dichtung sowie für die Schilderung persönlicher Erlebnisse gelobt. Der Dichter Julian Stannard hat ihre Dichtung beschrieben als „großartig und human … ihre Dichtung ist einfach perfekt, herrlich genau“, während der Dichter Hugo Williams sagte: „Ihre Stimme, die Spuren der besten und schlimmsten Lebenserfahrungen trägt, verleiht ihrem Werk eine Autorität, der wir vertrauen können.“

Beata Rehfisch führte ein langes und aktives Leben und setzte sich für die National Osteoporosis Society sowie für die Zukunft der lokalen Bücherei ein. In ihrem letzten Lebensjahrzehnt besuchte sie mit ihrer Familie ihr Elternhaus in Berlin und stand in Kontakt mit Historikern*innen in Deutschland, die über ihre berühmten Verwandten forschten. Ihre Gedichtsammlung „Berlin Blues“ (Green Bottle Press) beschreibt ihr erstes Lebensjahrzehnt in Berlin, ihre Eltern und deren Leben in der Weimarer Republik. Ihre Gedichtsammlung „Breaking Glass“ (WriteSideLeft Press) beschreibt ihr folgendes Lebensjahrzehnt als Flüchtling im Vereinigten Königreich und ihre Erfahrungen im Londoner Blitz, d.h. den deutschen Bombenangriffen auf London während des 2. Weltkrieges.

Beata Rehfischs Sohn Stephen Duncan wurde Student an der Royal Academy in London und ist nun Fellow of the Royal Society of Sculptors. Er ist der Verwalter und Herausgeber ihres literarischen Nachlasses und ihre Gedichte werden noch immer in Anthologien und posthumen Publikationen veröffentlicht.

Beata Rehfisch starb 2015 im Alter von 93 Jahren und hinterließ ihren Sohn und drei Enkelkinder, die alle in Großbritannien leben.

Diese Biographie ist von Beata Duncans Sohn Stephen Duncan mit Hilfe ihres Enkelsohnes Robert Duncan geschrieben worden. London 2022.
Beata Duncans Stolperstein ist von ihrem Sohn gespendet worden.
© Stephen Duncan

Quellen:
LAB-Landesarchiv Berlin; Czitrich-Stahl, Holger, Arthur Stadthagen: Anwalt der Armin und Rechtslehrer der Arbeiterbewegung (Berlin: Peter Lang, 2011); Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin; UAM-Universitätsarchiv, Ludwig-Maximilians-Universität München; Barch PA-Bundesarchiv Abteilung Personenbezogene Auskünfte Berlin-Reinickendorf;
BLHA-Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam; StANu-Staatsarchiv Nürnberg; Arolsen Archiv

Weblinks:
Paul Stadthagen:
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179349.php
Toni Salomon geb.Stadthagen:
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146363.php
Eva-Marie Salomon: https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146363.php

  • Beate Rehfisch englische Version

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Stolperstein Thomas Rehfisch

HIER WOHNTE
THOMAS REHFISCH
THOMAS REY
JG. 1918
MIT HILFE
FLUCHT 1934
ENGLAND

Thomas Rehfisch (später Tom Rey) wurde am 31. Januar 1918 geboren. Seine Eltern waren Lilli Dora Rehfisch, geb. Stadthagen, (1891-1941) und Hans (Jose´) Rehfisch (1891-1960). Die Familien Rehfisch und Stadthagen waren angesehene Berliner Familien, die als Ärzte und Anwälte einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisteten. Darunter waren Thomas‘ Großvater Prof. Dr. Eugen Rehfisch (1862–1937), ein wegweisender Urologe und Kardiologe, sein Großonkel Arthur Stadthagen (1857-1917), ein SPD-Abgeordneter im Reichstag, und sein Onkel Paul Stadthagen (1893–1943), ein ausgezeichneter Bomberpilot des Ersten Weltkriegs.

Als Kinder spielten Thomas und seine jüngere Schwester Beate (später Beata Duncan) auf dem Fürstenplatz gegenüber der Württembergallee 26-27. Thomas pflegte einen Garten neben dem Haus; dort begann sein lebenslanges Interesse an der Gartenarbeit. In der Familienwohnung richtete er eine Dunkelkammer für die Entwicklung von Fotografien ein. Der Astronomie galt sein erstes wissenschaftliches Interesse und so installierte er sich auf dem Dach des Hauses ein Fernrohr, um den Nachthimmel beobachten zu können. Thomas entwickelte auch beeindruckende Fähigkeiten im Erlernen von Fremdsprachen und im Diskutieren. Er war Schüler des Französischen Gymnasiums in Berlin Mitte.

Im Januar 1934 brachte Thomas‘ Mutter, Lilli Rehfisch, ihre Kinder Thomas (damals schon 16 Jahre alt) und Beate (12 Jahre alt) mit Hilfe von Verwandten nach England, die dort lebten. Die Kinder besuchten dort zuerst die Bunce Court boarding school , eine fortschrittliche Schule, die von Deutschland nach Großbritannien verlegt worden war, und lebten später im Norden Londons.

1939 wurde Thomas Rehfisch als „Feindlicher Ausländer“ (Male Enemy Alien) erfasst, aber von einer Internierung als Flüchtling ausgenommen. Wahrscheinlich war dies seiner Beschäftigung als Junior Assistant bei der Prüfgeräteabteilung der Messr Murphy Radio Ltd. geschuldet. Am 1. März 1947 wurde Thomas Rehfisch britischer Staatsbürger; seine deutsche Staatsangehörigkeit war 1939 von der deutschen Regierung aufgehoben worden. In den späten 40er- Jahren änderte Thomas Rehfisch seinen Namen in „Rey“.

Viele Mitglieder seiner Familie, so auch seine Mutter Lilli Rehfisch, wurden im Holocaust ermordet. Diese traumatischen Verluste, von denen Thomas Rehfisch nach dem Ende des Krieges erfuhr, führten zu Jahren von Leid und Kummer.

Thomas selbst hatte gemäß der Familientradition seinen Bildungsweg in London fortgesetzt, oft als externer oder Teilzeit-Student, während er gleichzeitig arbeitete. Er erwarb höhere akademische Grade an der Universität von London, so einen Bachelor of Sciences in Elektrotechnik mit höchster Auszeichnung am Northampton Polytechnic Institute 1938, einen Bachelor of Arts in Mathematik mit Auszeichnung am Birkbeck College 1947 und einen Master of Arts am University College und am Birkbeck College 1951 und schließlich 1961 den Doktortitel in Elektrotechnik am Imperial College.

Ab den späten 1930er- Jahren bis 1955 arbeitete Thomas Rey an der Entwicklung von Prüfgeräten bei Messrs Murphy Radio Ltd. und United Insulator Co., als Dozent am Northampton Polytechnic Institut (University of London) und in der Forschung bei den Electrical and Musical Industries Ltd. (EMI).

In den späten 1940er- Jahren heiratete Thomas Rey Joan Wilson. Ihr Sohn Julian wurde im Februar 1949 geboren. Die Ehe wurde später geschieden.

1955 immigrierte Thomas Rey mit seiner zweiten Ehefrau Joyce, geb. Eke, in die USA, um für die Westinghouse Electric Corporation auf dem Gebiet der Entwicklung von Radarantennen zu arbeiten. Nachdem die Familie zunächst in Baltimore gelebt hatte, zog sie 1957 in die Gegend von Boston, wo Thomas Rey für das MIT Lincoln Laboratory arbeitete. Im Anschluss an seine Tätigkeit am MIT arbeitete Thomas Rey für einige Geräte- und Maschinenbaufirmen im Süden Neuenglands. Neben seiner Arbeit in der Industrie war er als Erfinder tätig, besaß mehrere Patente und gründete die Gesellschaft „Digilog“. Lebenslang war er Mitglied des „Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE)“ und veröffentlichte Artikel in der Zeitschrift des IEEE.

Thomas und Joyce Rey hatten drei Töchter: Pamela (geb. Dezember 1956) sowie Lilli und Toni (geb. Dezember 1958). Die Zwillingsschwestern wurden nach ihrer Großmutter und Großtante benannt, die beide im Holocaust ermordet waren. Die Ehe von Tom und Joyce Rey wurde später geschieden.

1963 wurde Dr. Thomas J. Rey Staatsbürger der Vereinigten Staaten von Amerika.

Etwa 34 Jahre lang lebte Tom auf einem 5,6 Hektar großen Besitz in Billerica , nördlich von Boston in Massachusetts, welchen er „Rolling Acres“ nannte. Er war am glücklichsten, wenn er seine vielen Gartenprojekte plante und ausführte. Einen „Gentleman Farmer“ nannte er sich selbst und er genoss die Früchte seiner Arbeit. Er fuhr auch fort seine vielen anderen Interessen zu verfolgen und zu vertiefen: die Erkundung von Sprache, Kunst, Kultur, Geschichte und Politik. Er genoss Camping, Wandern, Skifahren und Segeln, Schach und andere Spiele. Die Tagesereignisse betrachtete er gewöhnlich mit der Lupe einer tief verwurzelten Bindung an soziale Gerechtigkeit. Er war ein standhafter Umweltschützer.

Mit einem Abstand von 50 Jahren kehrte Thomas Rey in den späten 1980er- Jahren als „Abiturient ehrenhalber“ für ein Klassentreffen am Französischen Gymnasium nach Berlin zurück.

Dr. Thomas J. Rey starb am 19. September 1991 im Alter von 73 Jahren in seinem Haus in Billerica am myelodysplastischen Syndrom. Er wurde von seiner dritten Ehefrau, Marcia Damon Rey (später Reinke, inzwischen verstorben) seinen vier Kindern und 12 Enkelkindern und Urenkeln beerbt.

Diese Biographie wurde von seinen Töchtern Pamela, Toni und Lilli Rey geschrieben.
Thomas Reys Stolperstein ist von den Nachkommen gespendet worden.

© Pamela Rey

Weblinks:
Paul Stadthagen https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179349.php
Toni Salomon https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146363.php
Eva-Marie Salomon https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146363.php

  • Thomas Rehfisch englische Version

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